Dienstag, 26. März 2024

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Scherzer & Co.: Mit Nachbesserungen ordentlich Rendite einfahren

Im Magazin "Der Nebenwerte Investor" von Traderfox finden sich regelmäßig Analysen von mir zu deutschen Nebenwerten. Das Magazin ist kostenpflichtig und wer dieses oder eine der weiteren Börsenzeitschriften von Traderfox bestellen möchte, gelangt ▶ hier zur Übersicht. Mehrwert für die Leser meines Blogs: Nach Erscheinen des Magazins darf ich meine Nebenwerte-Analysen dann auch hier veröffentlichen.


Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 4/2024 vom 02.03.2024

▶ In dieser Ausgabe: Datagroup, Ringmetall, Scherzer, Mutares, Kontron, Vossloh, Siemens Energy, Hornbach Holding, Puma


Scherzer & Co.: Mit Nachbesserungen ordentlich Rendite einfahren

Die Scherzer & Co. AG ist eine Beteiligungsgesellschaft mit Fokus auf Nebenwerten und Sondersituationen. Sie investiert ihr Vermögen in börsengehandelte Aktien, Anleihen oder sonstige verbriefte Wertpapiere aus der DACH-Region, wobei der Schwerpunkt dabei klar auf Deutschland liegt. Des Weiteren kauft man sich gezielt in Abfindungs- und Delisting-Situationen sowie Squeeze-outs ein. Wo andere Anleger panisch flüchten ergeben sich für hartgesottene Investoren attraktive Renditen. Als Scherzer-Aktionär muss man sich den Stress aber nicht selbst antun, sondern kann ganz einfach von der über Jahrzehnte hinweg nachgewiesenen Expertise der Profis profitieren. So lukrativ die Aussichten klingen, haben die letzten anderthalb herausfordernden Jahre im Nebenwertesektor doch ihre Spuren hinterlassen in den Scherzer-Geschäftszahlen und beim Aktienkurs. Zeit für einen kritischen Blick.

Die Aktie von Scherzer ist im Segment Scale der Deutschen Börse gelistet und sorgt mit monatlichen Updates für einen anhaltenden Informationsfluss an ihre Aktionäre. In diesen Meldungen berichtet das Unternehmen über die Entwicklung bei seinen wichtigsten Beteiligungen und meldet den aktuellen Nettoinventarwert je Aktie. Neben dem Jahresergebnis ist die Veränderung dieses NAV die treibende Kraft hinter dem Börsenkurs bei Beteiligungsgesellschaften.

Das Unternehmen hat seine Ziele klar benannt: man strebt nach einem nachhaltigen Vermögenszuwachs und möchte die Gesellschaft als eines der führenden notierten Beteiligungsunternehmen im Bereich Sondersituationen und Corporate Action etablieren. Dazu soll Scherzer als relevanter Partner für Transaktionen im Bereich der Sondersituationen positioniert werden und mittelfristig ein Beteiligungsportfolio mit einem Eigenkapitalanteil von mindestens 200 Millionen Euro aufgebaut werden. Zur Einordnung: Ende Januar wies Scherzer einen NAV je Aktie von 2,99 Euro aus und bei 29,94 Mio. Aktien ergibt sich rechnerisch ein Gesamtwert von 89,5 Mio. Euro. Die Börsenbewertung selbst liegt aktuell bei rund 66 Mio. Euro und der Abschlag des Kurses auf den NAV beträgt damit rund 25 %. Von den eigenen Ansprüchen ist Scherzer damit noch ein ganzes Stück entfernt.

Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe. Zum einen liefen und laufen die Kurse deutscher Nebenwerte seit Ende 2021 ziemlich schlecht und die Wertentwicklung der Portfoliounternehmen zeichnet dies entsprechend nach. Zudem kann Scherzer auch deshalb mit seinen Geschäftszahlen nicht überzeugen und muss anstelle der erhofften Gewinne Verluste ausweisen. Das ist jedoch weniger dramatisch als es klingt. Denn in die Gewinn- und Verlustrechnung fließen auch die Bewertungsveränderungen der Unternehmen mit ein, an denen Scherzer beteiligt ist. Also nicht nur realisierte Kursgewinne und –verluste, sondern die reinen Wertveränderungen. Fallen die Börsenkurse, sinkt Scherzers gewinn, steigen die Kurse wieder, steigt der Gewinn. Der ausschließliche Blick auf das Jahresergebnis verstellt einem also das Erkennen der wahren Chancen und Risiken.

Zudem ist ein weiterer Aspekt beachtlich: Scherzer lässt bei der NAV-Betrachtung alle Werte, die sich aus Andienungsrechten, Nachbesserungen usw. ergeben könnten, außen vor. Diese fließen erst dann in die NAV-Berechnung ein, sofern eine dieser Spekulationen in Schwarze trifft und Geld in die Kasse von Scherzer fließen lässt. Dieser konservative Bewertungsansatz zeigt damit eine realitätsnahe Bewertung und birgt mögliche stille Reserven als zusätzliches Gewinnpotenzial.

Attraktives Nebenwerte-Portfolio

Zunächst werfen wir aber einen Blick ins Beteiligungsportfolio, jedenfalls auf die größten Positionen, wie Scherzer sie per Ende Januar 2024 veröffentlicht hat. Die zehn größten Aktienpositionen waren, geordnet nach Positionsgröße: Allerthal-Werke AG, Rocket Internet SE, Lotto24 AG, Weleda AG PS, Data Modul AG, Horus AG, K+S AG, RM Rheiner Management AG, 1&1 AG, ZEAL Network SE.

Diese 10 Positionen stehen für rund die Hälfte des NAV und bei den börsennotierten Beteiligungen ist es relativ einfach, der Entwicklung zu folgen. Ihre Kurse werden börsentäglich gestellt und sie unterliegen eigenen Publizitätspflichten, so dass man gut mit Nachrichten versorgt wird. Der Kurs der Scherzer-Aktie folgt damit einerseits der allgemeinen Börsenlage und andererseits natürlich auch der Kursveränderung der großen Portfoliopositionen.

Scherzer berichtet aber nicht nur zu seinen größten Positionen, sondern auch zu den kleineren, so dass man einen weiteren Einblick in das Portfolio bekommt. So wurde zur Siltronic AG mitgeteilt, dass der Wafer-Hersteller in einem schwierigen Marktumfeld seine Ziele für 2023 erreicht habe und der Ausblick auf das Geschäftsjahr 2024 für den März erwartet werde.

Die Allerthal-Werke AG habe nach vorläufigen Zahlen für das Geschäftsjahr 2023 einen Jahresüberschuss von rund 1,4 Mio. Euro erzielt. Das wirtschaftliche Eigenkapital je Allerthal-Aktie habe unter Berücksichtigung der Dividendenausschüttung um 5,3 % auf 26,69 Euro gesteigert werden können. Allerthal ist im gleichen Geschäftsfeld tätig wie Scherzer selbst und führt eine durchaus attraktive Dividende ab, die zu einem erheblichen Teil in Scherzers Kasse landet, weil man Allerthals Großaktionär ist.

Zu Redcare Pharmacy N.V., der vormaligen Shop Apotheke Europe, meldete Scherzer, die führende Online-Apotheke habe nach vorläufigen Zahlen im 4. Quartal 2023 einen Rekordumsatz von 531 Mio. Euro, ein Plus von 62 % gegenüber dem Vorjahresquartal erzielt und die Zahl aktiver Kunden im Berichtsquartal um 300.000 auf 10,8 Millionen gesteigert. Inzwischen hat Redcare vom ehemaligen Marktführer Doc Morris nicht nur den Chef, sondern auch den Spitzenplatz in Deutschland übernommen.

Die aus der fashionette AG hervorgegangene The Platform Group AG erwarte im Ausblick ein Rekordjahr 2024. Zudem gab Scherzer bekannt, kürzlich wurde eine Beteiligung von 7,6 % an der ebenfalls börsennotierten Mister Spex SE erworben zu haben.

Unterbewertungen und Sondersituationen

Bei der Aktienauswahl fürs Portfolio zielt Scherzer auf Nebenwerte, die deutlich unterbewertet erscheinen und setzt auf den mittelfristigen Abbau dieser Unterbewertung. Dabei spielt eine grundsätzliche positive Einschätzung zur Geschäftsentwicklung des jeweiligen Unternehmens natürlich ebenso eine wichtige Rolle. Solange die Unternehmen an der Börse gelistet sind, kann Scherzer aktiv agieren; bei Delisting-Sondersituationen ist dies nicht ohne weiteres möglich. Oft werden die Aktien gar nicht mehr oder nur an der Regionalbörse Hamburg gehandelt mit entsprechend geringen Handelsumsätzen. Hier sind ein langer Atem und sehr viel Geduld erforderlich.

Daneben kauft sich Scherzer in Sondersituationen ein, wie bei Rocket Internet. Die Startup-Schmiede der Samwer-Brüder hatte eine Reihe von Unternehmen aufgebaut und an die Börse gebracht, wie Zalando, HelloFresh, Westwing, Home24, Marley Spoon. Inzwischen hat sich das Unternehmen aber neuen Betätigungsfeldern zugewandt und verleiht lieber Geld ('Private Debt'). Die Öffentlichkeitsarbeit wurde auf das absolute Minimum heruntergefahren und die Minderheitsaktionäre gezielt vergrault. Scherzer hält seine Anteile weiterhin für deutlich unterbewertet und an seiner Position fest. Oliver Samwer hat auch schon mehrfach Aktienrückkäufe lanciert, um verbliebene Aktionäre aus dem Unternehmen zu drängen. Bei Scherzer bisher ohne Erfolg.

Am Ende könnte es auf einen Squeeze-out hinauslaufen. Wenn Mehrheitsaktionär Oliver Samwer mehr als 95 % der Aktien hält, kann er den Minderheitsaktionären ein Zwangsangebot unterbreiten und diese müssen dann ihre Aktien an ihn abgeben. Der Abfindungsbetrag soll objektiv angemessen sein, doch genau das ziehen die herausgedrängten Aktionäre regelmäßig in Zweifel, so dass sich meistens langjährige Gerichtsverfahren anschließen zur Bestimmung des fairen Preises.

Lukrative Abfindungsspekulationen

Gerichtsverfahren von 10 Jahren Dauer und mehr sind nicht jedermanns Sache und deshalb übernahmen meistens Profis die Rolle des Klägers. Für die anderen herausgedrängten Aktionäre hat dies den Vorteil, dass sie im Falle einer Nachbesserung für den Kläger alle in den Genuss der Nachzahlung kommen. Solche Abfindungsspekulationen können also lukrativ sein, auch für Privatanleger. Der 'Clou' an den Verfahren ist, dass es quasi ohne Risiko läuft. Die herausgedrängten Minderheitsaktionäre erhalten die Barabfindung aufs Konto gebucht und können es sofort wieder woanders investieren. Zudem haben sie nun 'Nachbesserungsrechte' und sollte ein Gericht oder ggf. die eingeschaltete Spruchstelle nach vielen Jahren einen Aufschlag auf den ursprünglichen Abfindungsbetrag beschließen, dann erhalten sie diesen automatisch nachgezahlt – plus Zinsen.

Scherzer hat hier in der Vergangenheit die eine oder andere sehr hohe Nachbesserung eingestrichen und weist in seinen Geschäftsberichten teilweise ausführlich auf den Stand der verfahren bzgl. seiner 'Andienungsrechte' hin.

Abfindungsnetzwerk

Neben der Scherzer AG gibt es eine ganze Reihe von börsennotierten Abfindungsspezialisten, wie zum Beispiel die Allerthal-Werke, Horus oder RM Rheiner Management. An allen dreien hält Scherzer signifikante Anteile oder sogar die Mehrheit und sie zählen zu den zehn größten Depotpositionen. Im Falle einer hohen Nachbesserung flie0t der Scherzer AG damit sowohl direkt als auch indirekt viel Geld zu.

Scherzer-Aktie mit deutlichem Bewertungsabschlag

Quelle: wallstreet-online.de
Die Scherzer-Aktie notiert rund 25 % unter ihrem Nettoinventarwert. Ein gewisser Abschlag ist durchaus üblich, aber diese Höhe zeichnet schon ein sehr pessimistisches Bild der Anleger auf die Situation bei den deutschen Nebenwerten.

Die Scherzer-Aktie ist dabei gleich mit einem 'doppelten' NAV-Abschlag versehen, denn Horus, Allerthal-Werke und RM Rheiner Management selbst notieren jeweils auch deutlich unter ihrem ausgewiesenen NAV. Reduzieren sich die Bewertungsabschläge, dürfte der Scherzer-Aktienkurs entsprechend überproportional profitieren.

Scherz kauft jetzt eigene Aktien zurück

Der besonders hohe NAV-Abschlag hat bei Scherzer dazu geführt, dass man vor einigen Monaten ein Aktienrückkaufprogramm gestartet hat. Beim aktuellen Kurs muss Scherzer für jeden investierten Euro nur 80 Cents ausgeben. Damit erhöht sich automatisch auch der NAV je Aktie, da einerseits 80 Cents in 1 Euro getauscht werden und andererseits die im Bestand gehaltenen eigenen Aktien bei der Gewinnberechnung je Aktie außenvorbleiben.

Dabei steht noch nicht fest, ob Scherzer die Aktien irgendwann einmal einziehen, also vernichten wird, oder ob man nach einem deutlichen Kursanstieg die Aktien an externe Investoren abgibt und damit einen üppigen Gewinn einfährt. Solange Scherzer genügend Liquidität für sein operatives Business zur Verfügung hat und die Aktien so deutlich unter dem NAV notieren, macht ein Aktienrückkaufprogramm Sinn.

Herausforderndes Geschäftsjahr 2023

Nun werfen wir noch einen Blick auf die wenig berauschenden Zahlen zum letzten Geschäftsjahr. Diese sind noch vorläufig; das endgültige Jahresergebnis wird im Nachgang zur Bilanz-Aufsichtsratssitzung am 22. März 2024 veröffentlicht.

Die Scherzer & Co. AG hat das Geschäftsjahr 2023 mit einem Verlust abgeschlossen. Nach den vorläufigen Zahlen, die noch u.a. dem Vorbehalt abweichender Bewertungsansätze und dem Vorbehalt der Abschlussprüfung unterliegen, wurde ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von -0,6 Mio. Euro und ein Ergebnis vor Steuern (EBT) von -0,9 Mio. Euro ermittelt. Der Wert des Portfolios (NAV) unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten je Scherzer-Aktie hat sich im Geschäftsjahr 2023 um 4,43 % verringert.

Verglichen mit den Rekorden, die der S&P 500 eingespielt hat und vor allem der NASDAQ ist dieses Ergebnis ziemlich ernüchternd. Allerdings wurden die Börsenkurse 2023 vor allem von den 'Magnificent Seven' angetrieben und diese gehören naturgemäß nicht in die Kategorie deutscher Nebenwerte, wo Scherzer zuhause ist. Es gibt nicht wenige Börsenexperten, die auf kurz oder lang ein Wiedererstarken der Nebenwerte erwarten und bessere Renditen im Vergleich zu den großen Technologiewerten. Andererseits wird diese Hoffnung bereits seit Beginn der Hausse im Frühjahr 2009 immer wieder genährt und bisher ein ums andere Mal enttäuscht.

Bullcase vs. Bearcase

Scherzer hat in der Vergangenheit ein gutes Händchen bei der Auswahl von attraktiven Nebenwerten aus der DACH-Region bewiesen. Zudem ist man mit Abfindungsspekulationen des Öfteren sehr erfolgreich und kann so erheblichen Mehrwert erzielen.

Auf der anderen Seite hinken Nebenwerte seit Jahren den großen Technologiewerten hinterher und der Hype um generative Künstliche Intelligenz scheint diesen Trend eher zu verstärken als ihn umzukehren. Da die Entwicklung der Geschäftsergebnisse und des Aktienkurses von Scherzer stark an der Kursentwicklung des Nebenwertesektors hängt, müssen interessierte Anleger dies in ihre Investitionsentscheidung mit einbeziehen. Mit Scherzer-Aktien können sie ihr Depot um einen gut gemanagten Nebenwertespezialisten ergänzen von den bisweilen sehr lukrativen Abfindungsspekulationen profitieren.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Scherzer & Co. wissen muss

  1. Scherzer investiert seit vielen Jahren erfolgreich in unterbewertete Nebenwerte in der DACH-Region mit Schwerpunkt Deutschland sowie in aussichtsreiche Sondersituationen.
  2. Der besondere Fokus liegt auf Abfindungsspekulationen, aus denen in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder hohe Millionenerträge vereinnahmt werden können.
  3. Die Aktie notiert rund 25 % unterhalb des Nettoinventarwerts und damit niedriger als im langjährigen Durchschnitt. Scherzer kauft auch deshalb nun eigene Aktien zurück.
  4. Der Vorstand investiert einen Teil seiner Tantieme in den Erwerb von Aktien des eigenen Unternehmens und hält inzwischen direkt und indirekt über 5 % aller Scherzer-Aktien.
Disclaimer: Habe Redcare Pharmacy auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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