Dienstag, 15. Januar 2019

Cloud-Wars: Microsofts stärkster Trumpf gegen Amazon ist... Amazon!

Amazon ist der Dominator im Cloud-Markt und rangiert mit einem Weltmarktanteil von satten 34% weit vorne. Microsoft als zweitplatzierter Wettbewerber kommt auf abgeschlagen erscheinende 15% Weltmarktanteil. Eigentlich eine klare Sache, sollte man meinen. Zumal Amazons Web Service (AWS) nicht etwa schwächelt, sondern im dritten Quartal 2018 mit enormen 45% weiter gewachsen ist.

Doch Spieglein , Spieglein an der Wand, es gibt einen, der noch erfolgreicher ist im Land. Und zwar Microsoft. Gerade erst hatte sich Windows-Konzern Amazon einen milliardenschweren Pentagonvertrag vor der Nase wegschnappen können, da kann er schon wieder punkten und einen großen Cloud-Abschluss mit dem führenden US-Apothekenbetreiber Walgreen Boots Alliance vermelden. Das ist nicht der einzige Big Deal, den Microsoft in den letzten Wochen an Land ziehen konnte und dabei bekommt er - ungewollt aber auch unabänderlich - ausgerechnet von Amazon große Unterstützung. Aber wie(so)...?


Amazon und sein Chef Jeff Bezos sind ja nicht auf den Kopf gefallen und man unterstützt Microsoft als größten Rivalen in der Cloud selbstverständlich nicht vorsätzlich. Aber die beiden Giganten sind eben nicht nur im Cloud-Business aktiv, sondern jeweils in mehreren Sparten. Dabei kreuzen sie öfter die Klingen und treten direkt gegeneinander an, aber eben nicht überall. Und die "offene Flanke Onlinehandel" ist für Microsoft zunehmend ein Vorteil, während Amazon hier keinen Boden gutmachen kann.

Amazon ist im Onlinehandel Dominator und Disruptor im stationären Handel. Mehr als 50% der Onlineumsätze kann Amazon auf sich vereinen, sowohl in den USA als auch in seinem zweitwichtigsten Markt Deutschland. Nicht erst mit der Übernahme von Whole Foods fasst Amazon aber auch immer stärker im klassischen stationären Einzelhandel Fuß und eröffnet genau dort Shops, wo zuvor Einzelhändler die Segel streichen mussten. So soll Amazon an diversen Standorten der insolventen Kaufhauskette Sears Interesse haben (Sears war mal das wertvollste Unternehmen der Welt; ein Rang, den heute Amazon bekleidet im direkten Wettbewerb mit Microsoft).

Quelle: Synergy Research Group
Doch Amazons Pläne gehen noch weiter. Gemeinsam mit Warren Buffetts Berkshire Hathaway und JPMorgan Chase will man im Bereich der Gesundheitsversorgung Fuß fassen und man weitet seinen Onlinehandel immer massiver auf den Bereich rezeptfreie Medikamente aus; im Juni hatte Amazon die Online-Apotheke Pillpack übernommen.

Wir können davon ausgehen, dass Amazon auch in diesem Bereich großen Erfolg haben wird. Aber das passt natürlich nicht jedem. Vor allem nicht jenen, die dort bisher ihr Geschäft betreiben und an zahlreichen anderen Branchen genau ablesen können, was mit Amazon als direktem Wettbewerber auf die zukommt. Und inzwischen wehrt man sich und versucht, Amazon nicht (mehr) das Feld kampflos zu überlassen und sich in sein Schicksal zu fügen.

Der weltgrößte Einzelhändler, Walmart, hat lange Zeit kein wirksames Mittel gegen Amazon gefunden. Inzwischen hat man den Kampf aufgenommen und erzielt mehr als Achtungserfolge. Leidtragende sind die sonstigen Wettbewerber, die zwischen Amazon und Walmart zerrieben werden. Für seine Cloud-Strategie hat sich Walmart einen mächtigen Verbündeten gegen Amazon ins Boot geholt: Microsoft. Und die Redmonder konnte auch mit dem Einzelhändler Krogers einen ähnlichen Vertrag schließen und mit dem Kleidungsgiganten Gap.

Dabei hat Microsoft nicht etwa Amazon in einem fairen Wettstreit ausgestochen, sondern Microsoft sammelt die Konkurrenten von Amazon einfach auf, die sich den stärksten Verbündeten suchen, den sie gegen Amazon finden können. Und sie setzen hierbei auch auf Microsoft, weil diese eben kein Retailgeschäft betreiben, weil sie reine Dienstleister für die Cloud-Anwendungen sind und die Unternehmen somit keinen direkten Konkurrenten "füttern". Amazons Dominanz und bedrohliche Handelsmacht treibt seine Konkurrenten Microsoft direkt in die Arme. Und zwar nicht in einem ruinösen Preiswettbewerb, sondern im Bereich hochmargiger Cloud-Dienstleistungen.


Aktienfinder.netAnalysetools mit Zahlen, Daten und Fakten zum Unternehmen ▶ hier kostenlos testen

Meine Einschätzung

Sowohl Amazon als auch Microsoft meine Favoriten im Bereich Cloud-Business, wie ich bei meinem Jahresausblick auf 2019 bereits ausgeführt habe. Beide Unternehmen weisen starkes Wachstum auf, steigende Gewinne und jeder für sich einen enormen ökonomischen Burggraben.

Microsoft gelingt es allerdings inzwischen, deutlich schneller zu wachsen als Amazon mit AWS; im dritten Quartal 2018 stellte Microsofts Azure mit einem Zuwachs von 76% das starke 45%-Wachstum von AWS deutlich in den Schatten. Und das liegt auch daran, dass Amazon sich auf kleine und mittlere Unternehmen konzentriert und über den Preis seine Meilen macht, während Microsoft auf größere Unternehmen und qualitativ hochwertigere (und hochpreisigree) Cloud-Dienste setzt.

Gut möglich, dass Microsofts jüngste Erfolge bei Amazon doch noch dazu führen, dass man die Sparte AWS aus dem Konzern ausgliedert und separat an die Börse bringt. Dabei wird AWS mit einem Wert von bis zu 600 Mrd. Dollar taxiert, während Amazon insgesamt aktuell mit 800 Mrd. Dollar bewertet wird. In diesem Gedankenspielen ist also reichlich Musik drin...

Beide Konzerne haben mit ihrer Strategie Erfolg gegenüber den übrigen Wettbewerbern und bieten aus meiner Sicht beide weiterhin große Wachstums- und damit auch Kurschancen. Im Bereich Cloud hat Microsoft seit einiger Zeit jedoch das Momentum klar auf seiner Seite.

Disclaimer
Amazon und Microsoft befinden sich auf meiner Beobachtungsliste und in meinem Depot.


Ergänzung vom 24.01.2019, 15:22

Auch der US-Retailer Albertsons hat sich für die Cloud-Lösung von Microsoft entschieden und wird in einem Dreijahresvertrag Azure einführen. Die Supermarktkette wird auch Mitarbeitern das Office 365-Paket zugänglich machen und beide Unternehmen entwickeln zusammen eine kassiererlose Technologie für die Filialen, basierend auf Microsofts KI-Lösungen.

3 Kommentare:

  1. Interessanterweise ist ja auch Netflix Kunde von AWS. Netflix "füttert" damit einen Mitbewerber. Auch da frägt man sich, wie lange noch ?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Auch Brooks Brothers und Under Armour sind AWS-Kunden; die Überlegungen könnten natürlich auch hier so sein, dass man sich von AWS trennt, zumal Amazon ja momentan seine Gewinne ausschließlich AWS verdankt. AWS quersubventioniert quasi den Rest des Amazon-Konzerns, auch wenn Amazon inzwischen mit dem Onlinehandel in den USA Gewinne schreibt (im Gegensatz zu Europa). Hier könnte also eine latente offene Flanke von Amazon/AWS schlummern, die gerade Microsoft zu (noch) schnellerem Aufholen befeuert. Und das bei großen Kunden und bei margenstarken Verträgen. Das kann Amazon schnell doppelt wehtun, und sie müssen sich dann noch mehr anstrengen, um weiter die Nase vorn behalten zu können...

      Löschen
  2. Auch der US-Retailer Albertsons hat sich für die Cloud-Lösung von Microsoft entschieden und wird in einem Dreijahresvertrag Azure einführen. Die Supermarktkette wird auch Mitarbeitern das Office 365-Paket zugänglich machen und beide Unternehmen entwickeln zusammen eine kassiererlose Technologie für die Filialen, basierend auf Microsofts KI-Lösungen.

    AntwortenLöschen