Montag, 1. Juli 2024

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Mutares: Das Comeback des Star-Quartbacks!

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 12/2024 vom 27.06.2024

▶ In dieser Ausgabe:  Hypoport, Mutares, JDC Group, Steico, YOC, KSV, Lang & Schwarz, All for One


Mutares: Das Comeback des Star-Quartbacks!

Sanierungsspezialist Mutares hat seine Anleger echt verwöhnt. Innerhalb weniger Monate hat sich der Kurs annähernd verdoppelt und kürzlich wurde eine Rekorddividende ausgeschüttet. Seitdem leidet der Kurs unter kräftigen Gewinnmitnahmen und das schärt Ängste, das können an einem schwächelnden operativen Geschäft liegen. Da Mutares ein hohes Engagement im Automobilsektor aufweist, belasten die Sorgen um die neuen EU-Strafzölle zulasten chinesischer Elektroautohersteller. Inmitten dieses Stimmungstiefs kann Mutares einen Top-Transfer auf der Führungsposition vermelden und damit vielleicht die Stimmung drehen?

Die Mutares SE & Co. kauft angeschlagene Unternehmen oder ungeliebte Töchter von Konzernen günstig ein, um diese neu zu positionieren und auf Effizienz zu trimmen. Dabei fokussiert man sich auf europäische Unternehmen mit einem Umsatz von 50 bis 500 Mio. Euro, die bereits ein etabliertes Geschäftsmodell und hohes Entwicklungspotenzial aufweisen. Zumeist kann Mutares diese Unternehmen für kleines Geld erwerben und nicht selten bekommt man sogar noch eine Sanierungsmitgift oben drauf. Im Anschluss werden die neuen Töchter umstrukturiert und durch zielgerichtete Add-On-Zukäufe zu Branchenführern aufgebaut, um ihren Wert erheblich zu steigern.

Vier Business-Segmente

Mutares unterteilt seine Aktivitäten in vier Segmente. Die Portfoliounternehmen im frühzyklischen Segment Automotive & Mobility sind weltweit tätig und beliefern namhafte internationale Original Equipment Manufacturer ('OEMs') für PKW und Nutzfahrzeuge.

Die Portfoliounternehmen im spätzyklischen Segment Engineering & Technology bedienen insbesondere im Bereich Anlagen- und Maschinenbau Kunden aus verschiedenen Branchen, u.a. der Energie- und Chemieindustrie, der öffentlichen Infrastruktur und dem Bahnsektor.

Im nicht zyklischen Segment Goods & Services bieten die Portfoliounternehmen spezialisierte Produkte und Dienstleistungen für Kunden aus verschiedenen Branchen an.

Das Segment Retail & Food ist wiederum zyklisch und vereint Hersteller und Vertreiber in verschiedenen Sektoren, u.a. Haushaltsgeräte, Haushaltsprodukte und Lebensmittelverarbeitung.

Das Vier-Phasen-Modell

Nach dem Erwerb durchleben die neuen Töchter unterschiedliche Reifegrade, bis sie am Ende möglichst gewinnbringend wieder verkauft werden. Den Auftakt bildet 'Acquisition', wo man kalkulierte Risiken eingeht, das mit verlustbringenden Unternehmen einhergeht. Bis Ende 2023 hat Mutares in seiner Unternehmenshistorie insgesamt 353 Mio. Euro investiert. Es schließt sich 'Realignment' an, wo die grundlegende Umstrukturierung und Neupositionierung erfolgt und zwar überwiegend mit Finanzmitteln des ehemaligen Eigentümers. Die Mutares-Holding verbucht in dieser Phase wiederkehrende Einnahmen aus Beratungs- und Management-Gebühren. In 'Optimization' geht es um den erfolgreichen Turnaround und das Erreichen der Gewinnschwelle. Von da an steuern die Konzerntöchter Dividenden zum Ergebnis der Holding bei und erreichen die letzte Stufe 'Harvesting'. Die nun profitablen Töchter werden in der 'Erntephase' ins Schaufenster gestellt und der beste Käufer gesucht. Ein möglichst hoher Verkaufserlös ist dabei nicht das alleinige Kriterium, denn Mutares sucht nach dem 'Best-Owner-Ansatz' einen neuen Eigentümer, bei dem die bisherige Tochter nachhaltig erfolgreich agieren dürfte. Der Hintergedanke ist klar: man verzichtet lieber auf die letzten paar Prozentpunkte beim Verkaufsgewinn, erhöht damit aber seine Erfolgsbilanz. Je mehr erfolgreiche Unternehmen Mutares in ihre neue Zukunft entlässt, desto besser steht Mutares selbst bei neuen Übernahmeverhandlungen dar. Kurzfristiger Gewinnverzicht schmiert also langfristig den Erfolgsmotor. Und das zahlt sich aus.

Starkes 1. Quartal

Mutares hat starke Zahlen vorgelegt. Die Umsatzerlöse im Konzern stiegen um 21 % auf 1,346 Mrd. Euro, während sich das bereinigte operative Ergebnis (adj. EBITDA) von 5,1 auf 14,0 Mio. Euro verbesserte.

Die Umsatzerlöse aus Beratungsdienstleistungen und Management Fees der Mutares-Holding wuchsen im 1. Quartal 2024 um 8 % auf 29,3 Mio. Euro und das Nettoergebnis erreichte 51,3 Mio. Euro nach 8,2 Mio. im Vorjahr. Das ging vor allem auf den erfolgreichen Verkauf der Tochter Frigoscandia zurück, mit dem das Jahresziel von 120 Mio. Überschuss erreichbar erscheint. Dazu würde im zweiten Halbjahr lediglich ein weiterer größerer Verkauf aus der 'Harvesting-Phase' benötigt, in der Mutares inzwischen sechs Unternehmen führt: neben der neu hinzugestoßenen Steyr Motors sind auch Terranor, Donges, LA Rochette und Keeeper Exit-Kandidaten.

Das Automotive-Segment führt inzwischen drei Unternehmen in der Phase 'Optimization', die zusammen ein adj. EBITDA von 25 Mio. Euro erzielt haben. Perspektivisch könnten auch hier Richtung Ende 2025 erste Exits anstehen, insbesondere Hilo Group und Amaneos. Herausfordernd bleibt hingegen die Situation bei Lapayre; die Franzosen sind von der Baukonjunktur abhängig und dürften erst mit sinkenden Zinsen und anziehender Baukonjunktur in die schwarzen Zahlen kommen.

Anhaltend hoher Dealflow

Keine großen Auswirkungen sind indes von kleineren Verkäufen der letzten Wochen zu erwarten. So hat Mutares die iinovis Group verkauft, einen Dienstleister für Automotive und Industrial Engineering. Das Unternehmen erwirtschaftete im Jahr 2023 einen Umsatz von rund 33 Mio. Euro und beschäftigt über 350 Mitarbeitende an vier Standorten in Deutschland, einem Prüfstandort in Spanien und einem Entwicklungszentrum in Indien. Nach der Übernahme von Valmet Automotive im Jahr 2020 hat Mutares iinovis erfolgreich aus einer Konzernstruktur herausgelöst und als eigenständige Einheit und Marke im Automobilsektor positioniert.

Des Weiteren gab Mutares ihr Portfoliounternehmen Balcke-Dürr Nuklear Service GmbH an Cyclife Germany GmbH ab, ein Unternehmen der EDF Group. Die Balcke-Dürr Nuklear Service ist ein führender Dienstleister für die Stilllegung und den Rückbau nuklearer Anlagen in Deutschland und bietet ein breites Spektrum an nuklearen Stilllegungsdienstleistungen sowie Ingenieurdienstleistungen an. Die Balcke-Dürr Nuklear Service war Teil der NEM Energy Group im Mutares-Portfolio und der Exit steht im Einklang mit der Strategie der NEM Energy Group, sich auf den Bereich der Wärmeübertragungstechnik zu konzentrieren.

Mutares positioniert seine Portfoliounternehmen neu und hat sich hierbei von Randaktivitäten getrennt. Die Kernbeteiligungen verbleiben im Portfolio und werden auch gegebenenfalls durch Add-on-Käufe ergänzt.

Mit der Übernahme der FSL Ladenbau GmbH hat Mutares seine fünfte Akquisition in diesem Jahr getätigt. Die Add-on-Akquisition soll das Portfoliounternehmen Ganter Group stärken, einen Generalunternehmer und Experte für hochwertigen Innenausbau, und Synergien im Bereich der Kunden und der Supply Chain erzielen. FSL ist ein führender Ladenbauanbieter mit starker Präsenz in Norddeutschland, der 2024 mit einem Umsatz von rund 15 Mio. Euro plant und ein deutliches Wachstum von Umsatz und operativer Leistung als Teil der Ganter Group erwartet. Der Umsatz der Ganter Group soll durch die Akquisition im Jahr 2024 auf rund 67 Mio. Euro ansteigen.

Zudem kaufte Mutares die fischer automotive systems GmbH & Co. KG, einen Automobilzulieferer für kinematische Komponenten und hochwertige Systemlösungen für den Fahrzeuginnenraum und das Exterieur. Die neue Plattform-Investition stärkt das Segments Automotive & Mobility und brachte es 2023 auf Umsatzerlöse von 166 Mio. Euro.

Schließlich wurde die Übernahme von Eltel Networks Energetyka S.A. und Eltel Networks Engineering S.A. inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Mit den führenden Anbietern von Ingenieur- und Baudienstleistungen für elektrische Energie in Polen als neue Plattform-Investition wird das Segment Goods & Services gestärkt. Die beiden Unternehmen gehören zu den führenden Anbietern von Dienstleistungen im Bereich der elektrischen Energietechnik, einschließlich Hochspannungsdienstleistungen inklusive Planung, Bau, Inbetriebnahme und Wartung in Polen. Sie sind vor allem in mittleren und großen schlüsselfertigen Projekten für Übertragungs- und Verteilungsnetze für Freileitungen und Umspannwerke für Kunden tätig, die zu den wichtigsten Akteuren im Energiesektor gehören. Mit rund 410 Mitarbeitenden und drei Hauptniederlassungen in Krakau, Rzeszów und Olsztyn wurde im Jahr 2023 ein Umsatz von rund 36 Mio. Euro erwirtschaftet.

Globale Expansion

Mutares will das Wachstum noch stärker beschleunigen und setzt dafür auf seine beiden neuen Büros in China und Indien. Und China hat bereits die erste Kaufvereinbarung zu vermelden: Die Cikautxo Rubber & Plastic Components Co., Ltd. soll als Add-on-Investment die zur Amaneos gehörende SFC Group stärken. Der Neuerwerb ist ein Spezialist für die Entwicklung und Herstellung von Gummi- und Kunststoffteilen für die Automobil- und Haushaltsgeräteindustrie.

Und auch in die USA streckt man die Fühler aus. So waren CEO Robin Laik und CFO Mark Friedrich kürzlich in Chicago, wo Mutares demnächst sein neustes Büro eröffnen will.

Erweiterung des Vorstands

Die globale Expansion ist nur mit mehr Man-Power zu stemmen. Und so wird der bisher zweiköpfige Vorstand zum 1. Juli um zwei weitere Mitglieder erweitert. Dabei wird der seit 14 Jahren für Mutares tätige Dr. Lennart Schley als Chief Operating Officer (COO) für die operative Leitung der Tochterunternehmen neu in den Vorstand berufen.

Und dann kann auch bei der von den Aktionären lang ersehnten Nachricht Vollzug vermeldet werden. Johannes Laumann kehrt als Chief Investment Officer (CIO) in den Vorstand zurück, nachdem er im Herbst 2023 um eine persönliche Auszeit gebeten hatte. Laumann war in den letzten Jahren das Gesicht von Mutares und ganz maßgeblich für den erfolgreichen Wachstumskurs mitverantwortlich.

Mutares sieht sein Top-Management damit für die geplante Expansion optimal aufgestellt.

Dividendenpolitik

Ein Wort müssen wir noch zur Dividende verlieren. Für 2023 wurden kürzlich auf der Hauptversammlung 2,25 Euro je Aktie beschlossen und damit 0,25 Euro mehr als die 'Mindestdividende' von 2,00 Euro. Da Mutares große Expansionspläne hat, versucht man sich hier am Spagat zwischen attraktiver Ausschüttung, was mit einer Dividendenrendite von über 5 % gelungen ist, und Kapitalerhalt im Unternehmen, um die Expansion zu finanzieren. Je mehr Unternehmen die Optimierungsphase verlassen, desto stärker entwickelt sich das Finanzergebnis von Mutares, während gewinnbringende Verkäufe zusätzlich Geld in die Kassen spülen.

Bullcase vs. Bearcase

Die Transaktionspipeline ist prall gefüllt. 2023 gelangen 16 Übernahmen und sieben Verkäufe und in 2024 stehen bisher sieben Zukäufe und vier Verkäufe in den Büchern. Dank des ausgewogenen Reifegrads und Umfangs des Portfolios richtet sich der Fokus zunehmend auf Aktivitäten auf der Exit-Seite.

Quelle: wallstreet-online.de
Nach der Dividendenausschüttung folgt die Aktie dem bekannten Muster und fällt, nachdem Dividendensammler sich hier erstmal wieder verabschieden. Zugleich ist die Stimmung im Automobilsektor getrübt, weil die EU Strafzölle gegen chinesische E-Autohersteller plant, weil diese stark mit staatlichen Mittel subventioniert werden. Hier will man den USA folgen, die bereits die Daumenschrauben kräftig angezogen haben. Die Aussichten auf Vergeltungsmaßnahmen seitens der Chinesen wecken angesichts der hohen Bedeutung des chinesischen Automarktes für europäische und ganz besonders deutsche Autohersteller Befürchtungen. Da Mutares stark im Zuliefererbereich engagiert ist, belastet dies auch die Stimmung bei Mutares. Ob zu Recht, muss sich noch zeigen. Denn bisher handelt es sich EU-seitig nur um Drohungen, keine Fakten.

Die Bewertung der Aktie ist dank des starken Kursrückgangs noch attraktiver geworden. Und die Rückkehr von Johannes Laumann könnte die nötige Initialzündung sein, um die Stimmung wieder zu drehen. Und den Aktienkurs. Für langfristig orientierte Anleger dürfte sich auf dem ermäßigten Niveau eine neue Kaufchance ergeben. Denn das Business von Mutares brummt und das ist der stärkste Treiber für den Aktienkurs.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Mutares wissen muss

  1. Der Sanierungsspezialist sieht in der aktuellen Wirtschaftslage „beinahe ideale Bedingungen“ und erwirbt regelmäßig weitere attraktive Unternehmen.
  2. Mutares will entsprechend seiner neuen Mittelfristplanung im Jahr 2028 mit seinen Konzerntöchtern 10 Mrd. Euro umsetzen nach 5 Mrd. in 2023.
  3. Dabei wird mittel- bis langfristig ein Nettoergebnis auf Holdingebene von 1,8 bis 2,2 % des Konzernumsatzes angepeilt, so für 2028 auf 200 Mio. Euro hinauslaufen würde.
  4. China, Indien und die USA sind die neuen Wachstumsregionen. Und die Rückkehr von CIO Johannes Laumann sollte ebenfalls weitere positive Impulse setzen.
Disclaimer: Habe Mutares auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

5 Kommentare:

  1. Guten Morgen Herr Kissig, wie sehen Sie die momentane Entwicklung bei Mutares in Zusammenhang mit dem Report von.gothamcityresearch? Schöne Grüße

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  2. auweia, auweia, das sind ja aktuell sehr beunruhigende Nachrichten. Ob das nur ein großer Shortbluff ist oder ob an den Nachrichten was dran ist....was denkst du Michael?
    Bei ersteren könnte man die Chance nutzen um nochmal nachzulegen...bei zweiteren tust zumindest mir aktuell ganz schön weh....

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  3. Ich habe mir den Short-Report von Gotham City Research zu Mutares angesehen und eine ausführliche Stellungnahme dazu verfasst. Den Artikel findest du hier.

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  4. Sie haben im Wikifolio auch noch einige Mutares Stücke. Verkaufen Sie?

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    1. Sowohl im Nebenwerte-Wiki wie auch in Turnaround-Wiki ist Mutares enthalten. Verkaufen müssen hätte man vor der Short-Attacke. Jetzt macht es eigentlich keinen Sinn mehr, denn der Kurs ist massiv eingebrochen, die Vorwürfe sind nicht substanziell, also es besteht nach meiner Einschätzung kein Insolvenzrisiko, so dass man sich von dem Unternehmen nicht zwangsläufig trennen muss. Zu 20 Euro eine Aktie zu verkaufen, die eigentlich eher 35 wert ist, macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Auch wenn es länger dauern dürfte, bis sich der Kurs von der Short-Attacke wieder erholt hat. Und operativ muss es auch wieder besser laufen.

      Sofern also nicht operativ größere Probleme/Risiken auftreten oder ich zu einer deutlich negativeren Einschätzung komme, werde ich die vorhandenen Mutares-Positionen wohl nicht auflösen. Ein kauf drängt sich aber auch nicht auf, das wäre reine Spekulation. Und das ist nicht so mein Business...

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