Dienstag, 25. Oktober 2022

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu Hypoport: Absturz von Deutschlands digitalem Plattformsuperstar bei Immobilien und Versicherungen

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 14/2022 vom 04.10.2022

Absturz von Deutschlands digitalem Plattformsuperstar bei Immobilien und Versicherungen

Hypoport ist Deutschlands Marktführer bei neu vermittelten Immobilienfinanzierungen und über seine B2B-Kreditplattform werden inzwischen rund ein Drittel aller neuen Verträge abgewickelt. Künftig soll der gesamte Immobilienerwerbsstrang abgedeckt werden und dazu investiert das Unternehmen kräftig in Technologie und Personal. Hypoport kommt von der Finanzierungsseite, will aber bereits das Vermarkten (Verkäufer-Makler-Käufer) abdecken, die Bewertung der Immobilien, die Finanzierung und auch die Vertragsabwicklung (bis hin zum Kaufvertrag beim Notar). Dazu hat sich Hypoport zum Netzwerk von Technologieunternehmen für die Kredit-, Immobilien- und Versicherungswirtschaft weiter entwickelt und sah sich an der Schwelle für den nächsten Wachstumsschub. Doch mit der kürzlich herausgegebenen Umsatz- und Gewinnwarnung ist das Vertrauen in CEO Ronald Slabke ebenso implodiert wie der Aktienkurs des einstigen Börsenlieblings. Ein Schadensbericht.

Hypoport wurde 1999 gegründet und fusionierte Ende 2001 mit dem seit 1954 bestehenden Immobilienkreditvermittler Dr. Klein. Eine schwierige Zeit nach dem Platzen der Internetblase und den Terroranschlägen des 11. September. Ende Oktober 2009 ging Hypoport dann an die Börse und erwischte erneut eine turbulente Phase, denn es brauchte sich gerade die Immobilien- und Finanzkrise zusammen, die das weltweite Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs brachte. Der Aktienkurs brach von rund 18 auf 4 Euro ein.

Hypoport überstand diese Zeit und Gründer und CEO Ronald Slabke arbeitete unbeirrt an seiner Vision einer bankenunabhängigen digitalen Kreditvermittlungsplattform. Als sich die ersten Erfolge einsteckten, blieben diese von der Börse weitgehend unbeachtet und der Aktienkurs hatte Ende 2014 noch nicht einmal ganz wieder seinen IPO-Preis aus 2008 erreicht.

Doch ab 2015 entwickelte sich auch die Hypoport-Aktie zu einer wahren Erfolgsgeschichte und stürmte von 12 Euro Ende 2014 auf über 600 Euro im Frühjahr 2021 hoch. Ronald Slabke zeigte sich stets überzeugt, dass dies noch lange nicht das Ende von Hypoports Erfolgsweg ist und dass Hypoport seinen außerordentlichen Erfolg mit seiner Kreditplattform Europace in seinen anderen Segmenten wiederholen könne. Die Anleger und der Kapitalmarkt schenkten ihm lange Zeit Vertrauen, doch die Realität hat nun auch Hypoport eingeholt.

Die 4 Segmente

Die börsennotierte Hypoport SE ist heute eine Dachgesellschaft für das Netzwerk von inzwischen 20 Technologieunternehmen für die Kredit-, Immobilien- und Versicherungswirtschaft, die zum Hypoport-Konzern gehören. Hypoport hat seine Aktivitäten in vier Segmente unterteilt: Kreditplattform, Privatkunden, Immobilienplattform und Versicherungsplattform.

Das wichtigste davon ist die Kreditplattform, unter der Hypoport mit dem internetbasierten B2B-Kreditmarktplatz Europace die größte deutsche Plattform zum Abschluss von Immobilienfinanzierungen, Bausparprodukten und Ratenkrediten betreibt. Ein vollintegriertes System vernetzt eine Vielzahl von Banken und Versicherungen mit mehreren Tausend Finanzberatern und ermöglicht so den schnellen, direkten Vertragsabschluss.

1. Europace: Die Zauberformel

Dabei richtet sich Europace nicht an Kreditkunden (Business-to-Consumer), es ist also keine Vermittlungsplattform wie Verivox oder Check24, sondern Europace ist die Kreditvermittlungsplattform der Banken und Finanzvermittler (Business-to-Business). Hierin liegt der große Erfolgsschlüssel, denn Europace tritt nicht als Konkurrent zu den Banken auf, sondern als deren Dienstleister, als deren Werkzeug.

Klassisch lief eine Baufinanzierung früher so ab: der finanzierungswillige Kunde kontaktierte seine Bank, um den Kauf seiner Traumimmobilie zu finanzieren. Ihm wurde dann von der Bank gegebenenfalls ein Angebot vorgelegt und er holte sich weitere Angebote bei anderen Banken ein, um daraus das für ihn attraktivste auszuwählen. Die Bank war also nur eine von vielen Anbietern und nicht aktiv in den Konditionenvergleich eingebunden. Sobald der Kunde aus der Filiale trat, verlor sie ihren Zugriff auf ihn.

Europace änderte alles. Wenn der Kunde bei seiner Bank den Kreditwunsch vorträgt, kann sie ihm nun umgehend ein Angebot unterbreiten, da alle nötigen Informationen im System hinterlegt sind. Darüber hinaus sieht sie in der Plattform alle von Wettbewerbern hinterlegten Finanzierungsangebote, die für diesen Kunden ebenfalls infrage kämen. Diese kann sie dem Kunden ebenfalls anbieten.

Es erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, dass eine Bank ihrem Kunden eine Finanzierung eines Wettbewerbers anbieten sollte. Doch auf den zweiten Blick ist das sogar sinnvoll und im Interesse der Bank und des Kunden.

Denn wenn die Bank selbst die Finanzierung übernimmt, gibt sie dem Kunden den Kredit und nimmt diesen in die eigenen Bücher. Sie verdient an den Zinseinnahmen, trägt aber auch das Kreditausfallrisiko. Die Alternative ist, dem Kunden den Kredit einer anderen Bank zu vermitteln. Damit stellt man diesen zufrieden, trägt aber nicht das Risiko. Anstelle der Zinseinnahmen während der Laufzeit erhält die Bank nun eine einmalige Vermittlungsprovision. Und das ist ein großer Anreiz für die Bank, den Kunden zur Konkurrenz ziehen zu lassen.

GENOPACE, FINMAS und mehr

Nun besteht das deutsche Bankensystem aus drei Säulen: den Sparkassen, den Genossenschaftsbanken und den Privatbanken. Alle stehen untereinander im Wettbewerb und haben ihre eigenen Verbandsstrukturen. Innerhalb der Strukturen teilt man bereitwilliger Geschäfte als verbandsübergreifend. Und das machte sich Hypoport zunutze.

Denn Hypoport hat seine Europace-Plattform aufgeteilt. Genauer gesagt: die dahinterstehende Technologie. Mit dem genossenschaftlichen Bankensektor hat Hypoport im Jahr 2008 als verbandsinternen Vermittlungskoordinator eigens für sie die GENOPACE GmbH gegründet und betreibt sie gemeinsam.

Die FINMAS GmbH wiederum ist ein 2009 gemeinsam mit dem Ostdeutschen Sparkassenverband gegründetes, das den Kreditmarktplatz für die Mitglieder der Sparkassen-Finanzgruppe bildet. In 2020 ging der Anteil des Ostdeutschen Sparkassenverbands an die vom gesamtdeutschen Sparkassen- und Giroverband betriebene Finanz Informatik über, wodurch FINMAS im gesamten Sparkassensektor zur bevorzugten Lösung wurde.

Die B2B-Vertriebsgsellschaften Starpool GmbH und Qualitypool GmbH mit ihrem Baufinanzierungsgeschäft werden ebenfalls dem Segment Kreditplattform zugeordnet. Zudem zählen auch die REM CAPITAL AG und die fundingport GmbH mit ihrer Beratung und ihrem Finanzierungsmarktplatz für Firmenkunden (Corporate Finance) zum Segment.

2. Privatkunden

Das Segment Privatkunden vereint mit dem internetbasierten und ungebundenen Finanzvertrieb Dr. Klein Privatkunden AG und dem Verbraucherportal Vergleich.de alle Geschäftsmodelle, die sich mit der Beratung zu Immobilienfinanzierungen, Versicherungen oder Vorsorgeprodukten direkt an Verbraucher richten, also klassisches B2C-Geschäft. Vergleich.de vertreibt über Onlinevergleiche Finanzprodukte aus den Kategorien Immobilienfinanzierungen, Konsumentenkredite und einfache Bankprodukte, wie zum Beispiel Tagesgeldkonten.

3. Immobilienplattform

Das Segment Immobilienplattform bündelt seit 2018 alle immobilienbezogenen Aktivitäten der Hypoport-Gruppe außerhalb der privaten Finanzierung mit dem Ziel der Digitalisierung von Vermarktung, Bewertung, Finanzierung und Verwaltung von Immobilien.

Schon seit 1954 ist die Dr. Klein Wowi Finanz AG wichtiger Finanzdienstleistungspartner der Wohnungswirtschaft und von gewerblichen Immobilieninvestoren. Der Geschäftsbereich unterstützt seine institutionellen Kunden in Deutschland ganzheitlich mit kompetenter Beratung und maßgeschneiderten Konzepten im Finanzierungsmanagement, in der Portfoliosteuerung und zu gewerblichen Versicherungen.

In dieses Segment hat Hypoport in den letzten Jahren viel Geld investiert, auch für Zukäufe wie FIO oder Value, um die Systeme in sein eigenes Netzwerk zu integrieren und so über seine Plattform in Zukunft den vollen Immobilienerwerbsstrang abzubilden. Dem Kunden werden dann alle erforderlichen Zwischenschritte zwischen seiner Kauf- oder Verkaufsentscheidung und der Übergabe der Immobilie abgenommen. Ziel ist der Rundumservice aus einer Hand mit so wenig Aufwand und Aufregung für den Kunden wie möglich. Hypoport wiederum will an all diesen ohnehin notwendigen Zwischenschritten verdienen, diese aber so effizient gestalten, dass sie den Kunden am Ende weniger kosten, schneller ablaufen und weniger Stress verursachen.

4. Versicherungsplattform

Das zweite große Investitionsfeld der Hypoport-Gruppe ist das seit 2017 bestehende Segment Versicherungsplattform. Hierin sind alle Aktivitäten der Hypoport-Gruppe in der Versicherungstechnologie vereint. Das Segment Versicherungsplattform betreibt mit SMART INSUR eine internetbasierte B2B-Plattform zur Beratung, zum Tarifvergleich und zur Verwaltung von Versicherungspolicen. Zudem werden dem Segment auch der Versicherungsbereich der B2B-Vertriebsgesellschaft Qualitypool GmbH sowie die digitale Plattform ePension für die Verwaltung betrieblicher Vorsorgeprodukte zugeordnet.

Auch hier richtet sich der Fokus auf Versicherungsvermittler und –makler, nicht auf die Versicherten, die Check24 oder Verivox ansprechen. Hypoport möchte mit SMART INSUR den Erfolg von Europace kopieren.

Doch das ist leichter gesagt als getan. Der Versicherungsbereich ist in Deutschland stark zersplittert, es gibt unzählige kleine Versicherungsmakler, Strukturvertriebe und Handelsvertreter, die Versicherungen verkaufen und verwalten. Der organisatorische und regulatorische Aufwand nimmt immer weiter und enorm zu, alleine das Thema Datenschutz ist eine oft zu große Herausforderung für Einzelkämpfer. Diese schließen sich immer öfter in Maklerpools zusammen, doch auch diese müssen eine kritische Größe erreichen, um am Markt bestehen zu können.

Hypoport übernimmt solche Maklerpools und überführt deren verwaltete Verträge in seine eigenen Systeme. Das tun auch Wettbewerber wie JDC Group oder Netfonds und viele andere. Hypoport hat durch seine Kreditplattform ein sehr gutes Standing bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen, so dass die Erwartung hoch war, dass man hier auch im Bereich Versicherungsplattform punkten könne.

Doch Wettbewerber JDC Group hat sich sowohl im Genossenschaftsbereich als auch im Sparkassensektor durchgesetzt und ist dort nun der bevorzugte Partner. CEO Slabke betont, dass dies kein Problem für Hypoport sei, weil deren Technologie quasi das Rückgrat auch für andere Anbieter darstelle. Doch Zweifel sind hier angebracht und die anhaltende Erfolgslosigkeit der Versicherungssparte bei Wachstum und Ergebnissen erweist sich zunehmend als Belastungsfaktor für die gesamte Gruppe.

Zahlen zum 1. Halbjahr 2022

Am 8. August gab Hypoport seine Zahlen zum 1. Halbjahr bekannt. Der Konzernumsatz stieg um 23 % auf 262 Mio. Euro und zur dynamischen Entwicklung hätten alle vier Segmente mit prozentual zweistelligen Wachstumsraten zwischen 14 % und 29 % beigetragen.

Das Segment Kreditplattform habe mit +29 % den größten Umsatzsprung innerhalb der Hypoport-Gruppe aufgewiesen. Dabei hätten neben der positive Entwicklung des Baufinanzierungsgeschäftes über den B2B-Kreditmarktplatz Europace bzw. über die Teilmarktplätze FINMAS und GENOPACE für Sparkassen- und genossenschaftliche Institute und die vertriebsunterstützenden Maklerpools insbesondere die Umsätze der sich besonders positiv entwickelnden Corporate Finance Beratung REM CAPITAL zum Segmentumsatz beigetragen.

Trotz weiterer Investitionen in neue Produkte, wie Europace OneClick oder Markterschließungen wie GenoFlex für den genossenschaftlichen Bankensektor und die Pilotierung der Corporate Finance Plattform fundingport, sei das EBIT überproportional um 49 % auf 31 Mio. Euro ausgebaut worden.

Im Segment Privatkunden seien die Umsätze um 14 % auf 78 Mio. Euro gesteigert worden. Durch die konsequente Nutzung von Europace erreichte das Franchisenetzwerk Dr. Klein weitere Effizienzvorteile gegenüber noch nicht an die Plattform angeschlossenen Beratern. Hierdurch wurden erneut Marktanteile gewonnen und die Wachstumsdynamik sei nach +5 % bzw. +9 % in 2020 und 2021 weiter deutlich angestiegen.

Im Segment Versicherungsplattform kommt die zum Jahresbeginn begonnene Ausrichtung und Fokussierung durch Trennung in die drei Bereiche Privatversicherung, Industrieversicherung und betriebliche Altersvorsorge weiter voran. Zudem konnte im ersten Halbjahr das auf die vollintegrierte Plattform SMART INSUR migrierte Prämienvolumen weiter gesteigert werden und für ePension und SMART INSUR Neukunden gewonnen bzw. neue Plattformfunktionen implementiert werden. Die Segmentumsatzerlöse stiegen um 24 % auf 29 Mio. Euro.

CEO Ronald Slabke kommentierte die Ergebnisse so: "Unser wichtigstes Marktumfeld, das der privaten Immobilienfinanzierung, war im ersten Halbjahr 2022 durch einer Reihe von veränderten negativen Rahmenbedingungen wie Zinssteigerungen, drohende Rezession, Ressourcenmangel in der Bauindustrie sowie schlecht koordiniertes Förderungsmanagement der Bundesregierung geprägt. Jeden dieser Faktoren haben wir in der Vergangenheit schon erlebt und konnten uns aufgrund der starken Wettbewerbsstellung unserer B2B-Plattformen immer behaupten; so auch im ersten Halbjahr 2022. Wir haben dadurch einen großen Teil unserer Jahresziele bereits im ersten Halbjahr erreicht. Die Kombination der genannten hemmenden Marktfaktoren könnte zu längeren Vermarktungszyklen für Immobilienfinanzierungen im zweiten Halbjahr führen. Trotz dieser Unsicherheiten für unseren Hauptmarkt werden wir unser Wachstum fortsetzen."

Aussetzung der Jahresprognosen

Quelle: wallstreet-online.de
Am 22. September 2022 kassierte Hypoport mit kurzen Worten seine Ziele ein. Der Hypoport-Vorstand rechnet auf Basis seines aktualisierten Forecasts für das 3. Quartal 2022 nun mit einem Umsatz leicht unter Vorjahresniveau und einem ausgeglichenen EBIT.

Das 2. Halbjahr 2022 zeige bisher eine sehr schwache Nachfrage in der privaten und institutionellen Immobilienfinanzierung sowie im Corporate Finance Geschäft. Trotz einer deutlichen Ausweitung des Immobilienangebots und leichter Preisrückgänge würden sich die Verbraucher in dem Hypoport-Hauptmarkt der privaten Immobilienfinanzierung wegen der Kombination aus sprunghaftem Zinsanstieg, extremer Inflation und Rezessionsängsten sowie Hoffnung auf stärker fallende Immobilienpreise mit Transaktionen zurückhalten.

Daher werde die derzeitige Jahresprognose deutlich verfehlt werden und da für den Vorstand nicht prognostizierbar sei, ob die Zurückhaltung der Verbraucher in der privaten Immobilienfinanzierung bereits im weiteren Jahresverlauf beendet sein wird, setze der Hypoport Vorstand die Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2022 aus.

Auf den Paukenschlag folgt Stille – und der Ausverkauf der Aktien, die unlimitiert auf den Markt geschmissen wurden und einen Tagesverlust von rund 45 % verbuchten. Von dem in 2021 mehrfach erreichten Allzeithoch bei 600 Euro ist der Kurs mit seinen knapp 80 Euro inzwischen um mehr als 85 % abgestürzt.

Zweifel und Enttäuschung

Die Enttäuschung der Anleger ist verständlich. CEO Slabke hat Hypoport bisher als weitgehend resilient gegenüber dem sich abkühlenden Immobilienmarkt dargestellt, doch nun offenbart sich das Gegenteil. Der Käuferstreik und der neubaustopp bei gewerblichen Anbietern führen zu einem Austrocknen der Kreditnahfrage. Hypoport bleibt technologisch führend und ist die stärkste Plattform im Markt, aber der "adressierbare Markt" ist geradezu implodiert. Und das trifft Hypoport gleich mehrfach.

Zuvorderst natürlich im Segment Kreditplattform selbst, wo die Umsätze und die Provisionen massiv eingebrochen sind. Und da dieses Segment seit längerem und noch für einige Zeit die anderen, defizitären Segmente und die dort erforderlichen hohen Investitionen in Technik und Personal quersubventioniert, poppen hier nun überall rote Flaggen auf!

Hypoport ist nicht besonders stark finanziert und sein Geschäftsmodell basiert auf den stetigen und steigenden Provisionserlösen aus der Europace-Plattform. Wenn diese nun für einen längeren Zeitraum versiegen, dann fehlen dem Hypoport-Konzern schnell die finanziellen Mittel für seine Wachstumsstrategie.

Doch genau hierauf haben die Anleger gesetzt, auch und vor allem wegen der bisher unerschütterlichen Aussagen von CEO Slabke, dass der Erfolg von Europace sich hier noch einmal wiederholen werde – und das in einem viel größeren Markt.

Die Realität sieht nun anders aus und Hypoport muss umsteuern. Der Einstieg eines großen Investors ist auf diesem Bewertungsniveau unattraktiv, jedenfalls mit Blick auf die achteinhalbmal so hohe Bewertung in 2021, als der Kurs bei 600 Euro stand. Und endlos neues Fremdkapital kann man auch nicht aufnehmen, das gibt die Bilanz nicht her und die signifikant gestiegenen Zinsen würden das Finanzergebnis deutlich belasten und die Ertragslage weiter schmälern. Infrage kommt eigentlich nur ein deutliches Abspecken der Wachstumspläne und Investitionen. Und das in einer Zeit, wo die Wettbewerber JDC Group und Netfonds in die Offensive gehen können.

Bullcase va. Bearcase

Bisher bot Hypoport mit der Europace-Kreditplattform ein starkes, profitables, wachsendes Kerngeschäft, das die übrigen neuen Segmente durchgefüttert hat, in die hohe Investitionen flossen. Das ist auf absehbare Zeit vorbei und noch ist nicht klar, wie Hypoport reagieren und aus dieser prekären Lage herauskommen will.

Klar hingegen ist, dass das Unternehmen erstmal nicht mehr für sich in Anspruch nehmen kann, wie ein Wachstumsunternehmen bewertet zu werden. Und hierin liegt ein Problem. Denn trotz des massiven Kurseinbruchs ist die Hypoport-Aktie noch immer hoch bewertet hinsichtlich des KGVs. Und da der Gewinn gerade deutlich schrumpft aufgrund der anhaltenden und sich verschlechternden Lage am Immobilienmarkt, besteht in nächster Zeit auch wenig Aussicht auf Besserung.

Mit anderen Worten: das Chance-Risiko-Verhältnis hat sich merklich eingetrübt – obwohl der Aktienkurs bereits so stark gefallen ist! Das liegt nicht zuletzt auch am starken Vertrauensverlust, den CEO Slabke sich und Hypoport eingebrockt hat, weil er lieber auf viel zu optimistische Durchhalteparolen setzte, als die Realität anzuerkennen und das Unternehmen entsprechend zu wappnen.

Auf der Habenseite hat Hypoport sein Kreditplattformgeschäft zu bieten, das bei einem sich normalisierenden Immobilienmarkt klarer Marktführer in Deutschland ist und schnell wieder zur Cashcow mutieren dürfte. Auch in den anderen Segmenten müssen sich die hohen Investitionen nicht verloren sein. Hier bieten sich Verkäufe oder Kooperationen bzw. Joint Ventures an. Wobei das Ego von Ronald Slabke sicherlich kein kleines Hindernis bei entsprechenden Gesprächen sein dürfte.

Der Aktienkurs ist heftig abgestürzt und die Geschäftszahlen bieten auf kurze Sicht wenig Anlass zur Entspannung. Das Unternehmen Hypoport hat viel zu bieten, für die Aktie dürfte das erstmal nicht gelten. Die Unsicherheit überwiegt momentan und das kann für langfristig orientierte Anleger eine interessante Einstiegschance sein. Ob sich das in nächster Zeit auch in Kursgewinnen widerspiegeln würde, ist aktuell zumindest zweifelhaft.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Hypoport wissen muss

  1. Hypoport ist Deutschlands Marktführer bei neu vermittelten Immobilienfinanzierungen. Über seine Kreditplattformen werden bereits rund ein Drittel aller neuen Verträge abgeschlossen.
  2. Hypoport wandelt sich zum Full-Serviceanbieter und will alle Dienste rund um den Immobilientransfer anbieten, was hohe Investitionen erfordert.
  3. Steigende Zinsen und hohe Preise haben zu einem Käuferstreik im Immobilienmarkt geführt, was Hypoports Erlöse bei der Cashcow Kreditplattform massiv belastet.
  4. 85 % Kursabsturz machen die Aktie nicht billig und noch fehlt der strategische Ausblick des Vorstands, wie die vielen Probleme zeitnah und effektiv angegangen werden sollen.

Disclaimer: Habe JDC Group, Hypoport, Netfonds auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

3 Kommentare:

  1. Guten Tag,
    Sehen Sie in der Kommunikation eine bewusste Täuschung, die eine Klage rechtfertigen würde?
    Wissen Sie von einer Sammelklage?
    Besten Dank vorab
    MfG

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    1. Nein, eine bewusste Täuschung sehe ich nicht. Es waren zu optimistische Annahmen von Hypoport-CEO Slabke, denn der annähernde Stillstand beim Immokreditneugeschäft im und seit September war so nicht absehbar. Der August zeigte die saisonal übliche Sommerflaute, doch die ansonsten übliche sich anschließende Erholung blieb aus - und verkehrte sich sogar ins Gegenteil. Aus der Rückschau, jetzt wo man das Ergebnis kennt, kann man kritisieren, dass da nicht zurückhaltender kommuniziert worden ist, aber in der Vorausschau gab es auch eine Wahrscheinlichkeit, dass sich die Zahlen wieder saisonal entsprechend erholen würden. Eine solche Verkettung von Belastungsfaktoren gab es die letzten Jahre nicht; selbst die Finanzkrise war komplett anders.

      Was nun ansteht, sind Kürzungen und Einsparungen. Die Kreditplattform hat ja die anderen Bereiche quersubventioniert, doch hier sind die Gewinne (EBIT) um 95 % auf 0,5 Mio. Euro eingebrochen im Vergleich zum Vorjahresquartal. Hierdurch wurde nochmal offengelegt, dass es sich nicht um stetige Subkriptionserlöse (wie bei Software wie Windows oder Adobe-Produkten) handelt, sondern um Provisionseinnahmen auf Basis der Kreditabschlüsse - und diese können eben auch komplett ausbleiben, wie sich aktuell zeigt. Das ist kein neuer Risikofaktor für das Geschäftsmodell von Hypoport, aber es hat nun eine deutlich höhere Relevanz bekommen. Während Adobe, Alphabet, Microsoft die Wirtschaftsschwäche gelassen durchstehen können, weil ihre Einnahmen stetig weiterfließen, ihre Cashflows hoch bleiben und sie ggf. hohe Milliarden an Cashreserven haben, sieht die Lage bei Hypoport anders aus. Slabke muss reagieren und schnell die Kosten senken, ohne dabei alle Zukunftsoptionen und -projekte zu schreddern. Das bremst einerseits und sorgt für Verunsicherung bei den Mitarbeitern und es wird zu einmaligen hohen Kostenbelastungen führen (Abfindungen, Umstrukturierungskosten etc.), die wohl vor allem das 4. Quartal betreffen werden. Je länger die Kreditflaute anhält, desto ungemütlicher wird es für und bei Hypoport. Und das, wo die Wettbewerber in den anderen Bereichen, wie der Versicherungsplattform, richtig Gas geben: JDC Group und Netfonds. Schwierige Situation für Hypoport.

      Doch die Fakten liegen nun auf dem Tisch und der Kurs hat das reichlich eingepreist. Was noch aussteht, sind die konkreten Sparmaßnahmen und die Dauer der Kreditflaute. Dies könnte die Aktie auch in den nächsten Wochen noch weiter belasten.

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    2. Herzlichen Dank, Beste Grüße

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