Mittwoch, 12. Oktober 2022

Kissigs Nebenwerte-Analyse zu 3U Holding: Interessanter Spezialwert in Sondersituation

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 14/2022 vom 04.10.2022

3U Holding: Interessanter Spezialwert in Sondersituation

Die 3U Holding AG ist ein weitgehend unbekanntes Unternehmen und wandert mit einer Marktkapitalisierung von 137 Mio. Euro auf der Schwelle zwischen Microcap und Smallcap. Das Unternehmen hat in seiner erst 25-jährigen Geschichte bereits eine Reihe von Höhen und Tiefen sowie Umstrukturierungen und Neupositionierungen erlebt. Und auch heute findet eine weitere Transformation statt. Doch während die der früheren Jahre schmerzhaft und aus der Not getrieben waren, erfolgen sie heute aus strategischen Überlegungen heraus – und spülen einen dreistelligen Millionenbetrag in die Kasse. Das weckt nicht nur hinsichtlich der Mittelverwendung großes Interesse…

Das Unternehmen wurde 1997 als 3U Telekom AG gegründet und in der Hochphase des Neuen Markts wagte man 1999 den Börsengang. Damals bot man "Call-by-Call-Telefonie" an, was den ersten wirklichen Wettbewerb zur Deutschen Telekom im Festnetzbereich darstellte. Entsprechend hoch waren die Erwartungen und die Bewertungen und den Höchstkurs von über 9 Euro aus dem Frühjahr 2000 und damit vor dem Platzen der Internetblase hat die Aktie seitdem nie wieder gesehen.

Telefonie hat (noch nicht) ausgedient

Call-by-Call ist längst totgeritten und der Telekommunikationssektor spielt in ganz anderen Dimensionen. Im Jahr 2006 erfolgte eine große Umstrukturierung des Unternehmens, wobei eine Reihe von Produkten und Dienstleistungen eingestellt wurden und unter dem Dach der neuen Tochter 3U Telecom GmbH die diversen Telefontochtergesellschaften wie OneTel, LineCall, fon 4U, gebündelt wurden. Dieses Business stellt auch heute noch das Rückgrat des inzwischen in 3U Holding AG umfirmierten Konzerns dar. Doch die Musik spielt längst in anderen Bereichen.

Neuer Fokus: Erneuerbare Energie und Cloud

Seit dem Jahr 2008 hat sich die 3U Holding breiter aufgestellt und legte dabei mit dem Segment Erneuerbare Energien und dem Geschäftsfeld Cloud-Computing zwei neue unternehmerische Schwerpunkte.

Im Zuge der Neuausrichtung wurde am 30. Mai 2011 auch die Tochter LambdaNet verkauft, wodurch dem 3U-Konzern liquide Mittel in Höhe von rund 27,4 Mio. Euro zuflossen. Damit war die finanzielle Basis gelegt für neue Investitionen.

Die 3U Holding AG erwirbt, betreibt und veräußert als Management- und Beteiligungsgesellschaft Vermögensgegenstände und Unternehmensbeteiligungen in den drei Segmenten Informations- und Telekommunikationstechnik (ITK), Erneuerbare Energien (EE) sowie Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK). Konzernsitz ist Marburg und die Gruppe ist mit rund 300 Beschäftigten vor allem in Deutschland sowie auch in Österreich präsent. Oder genauer gesagt: war. Denn kürzlich erfolgten zwei Verkäufe von Tochterunternehmen, die erhebliche Auswirkungen auf die Konzernstruktur, die Bilanz und die Kassenlage haben.

Bisherige Geschäftsfelder und Konzernstruktur

Um nicht den Überblick zu verlieren, schauen wir uns zunächst die bisherigen Aktivitäten der 3U Holding an und gehen erst im Anschluss auf die Verkäufe und die damit verbundenen Folgen ein.

Die 3U ist in den Segmenten Informations- und Telekommunikationstechnik (ITK), Erneuerbare Energien und Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK) tätig.



Informations- und Telekommunikationstechnik

Das alte Telefonie-Brot- und Buttergeschäft steuert absehbar auf das Ende zu, aber noch liefert es relativ stabile Umsatz- und Ergebnisbeiträge. Im Juni 2022 haben die Telekom Deutschland GmbH und der Branchenverband VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V.) ihre ursprünglich bis Ende dieses Jahres befristete Vereinbarung zur Netzbetreiberauswahl (Call-by-Call, Pre-Selection) bis zum 31. Dezember 2024 verlängert. Damit kann 3U den Bereich „Voice Retail“ im Geschäftsfeld Telekommunikation nun für weitere zwei Jahre fortführen.

Der absolute Hoffnungsträger im Segment und im gesamten Konzern war jedoch weclapp, die Cloud-Computing-Tochter. Dabei handelt es sich um eine ERP-Softwareplattform für kleine und mittlere Unternehmen. Wikipedia führt dazu aus: „Enterprise-Resource-Planning (ERP) bezeichnet die unternehmerische Aufgabe, Personal und Ressourcen wie Kapital, Betriebsmittel, Material und Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne des Unternehmenszwecks rechtzeitig und bedarfsgerecht zu planen, zu steuern und zu verwalten. Gewährleistet werden sollen ein effizienter betrieblicher Wertschöpfungsprozess und eine stetig optimierte Steuerung der unternehmerischen und betrieblichen Abläufe.“

Weclapp kommt dabei bei den Kunden hervorragend an und weist starke Nachfragezuwächse auf. 3U peilte vor der Coronakrise bereits mittelfristig den Börsengang von weclapp an und hatte hierzu ein externes Gutachten zur Wertermittlung in Auftrag gegeben, das dann rund 75 Mio. Euro auswies. 3U setzte zunächst auf eigenständiges Wachstum bei weclapp und kaufte auch mit ITscope und Finanzgeek ergänzende Produkte ein.

Im 1. Halbjahr 2022 wuchs der Umsatz im Segment ITK erneut kräftig um 31,4 % von 10,83 auf 14,23 Mio. Euro. Dabei hielt der Geschäftsbereich Telekommunikation mit 5,63 Mio. Euro sein Erlösniveau weitgehend stabil. Die normalisierte Corona-Situation führte zu leichten Umsatzrückgängen bei Voice Retail und Voice Business, doch ein starker Zuwachs bei den Rechenzentrumsdiensten von 44 % konnte dies kompensieren.

Hauptwachstumstreiber des Segments wie auch des Gesamtkonzerns war der durch den Teilkonzern weclapp repräsentierte Geschäftsbereich Cloud Computing; dessen Umsatz wuchs um knapp 78 Prozent auf 8,33 Mio. Euro. Hiervon entfielen auf die erstmals in den Halbjahreszahlen enthaltene ITscope GmbH 2,44 Mio. Euro. Das ebenfalls seit Oktober 2021 konsolidierte Start-up FinanzGeek GmbH, dessen Software-Plattform noch vor der Markteinführung steht, steuerte noch keine nennenswerten Erlöse bei.

Während der Geschäftsbereich Telekommunikation trotz des geringfügig niedrigeren Erlösniveaus höhere Erträge erwirtschaften konnte, belastete ein deutlich gestiegenes Kostenniveau den Geschäftsbereich Cloud Computing. So führte die dortige wachstums- und akquisitionsbedingte Ausweitung der Beschäftigtenzahl auf Segmentebene zu mehr als einer Verdoppelung des Personalaufwands. In Summe reduzierte sich daher das Segment-EBITDA um rund 27 % auf 1,86 Mio. Euro und die EBITDA-Marge fiel entsprechend von 23,6 auf 13,0 %. Bereinigt um die Einmalaufwendungen beliefen sich das Segment-EBITDA auf 2,58 Mio. Euro und die Marge auf 18,1 %. Bei merklich höheren Abschreibungen sank das Segmentergebnis im 1. Halbjahr letztlich von 1,61 auf 1,00 Mio. Euro.

Erneuerbare Energien

Seit 2018 beschränkt sich die Geschäftstätigkeit in diesem Segment auf die Stromproduktion mittels Solar- und Windparks; die meisten Tochterunternehmen sind zurzeit nicht aktiv. 2012 wurde der Solarpark Adelebsen von der 3U ENERGY AG errichtet. Auf der etwa 26 Hektar großen ehemaligen Industriefläche wurden die Dach- und Freiflächen des ehemaligen Sägewerks mit Photovoltaik-Modulen bestückt und der Netzausbau vorangetrieben. Mit 44.100 Solarmodulen verteilt auf 10 % Dachfläche und 90 % Freilandfläche hat der Solarpark insgesamt eine Kapazität von 10,1-Megawatt. Betrieben wird er durch die Solarpark Adelebsen GmbH, ebenfalls eine Tochtergesellschaft der 3U HOLDING AG.

Auf dem durch einen eigenen Eisenbahnanschluss ausgestatteten Gelände des Solarparks Adelebsen sind insgesamt 27.000 qm vermietbare Lager- und Gewerbefläche zur Anmietung verfügbar, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem ca. 65.000 m² großen Gewerbepark befinden. Aktuell werden hiervon rund 13.000 m² durch den ACT (Adelebsen Container Terminal) genutzt.

Das Segment profitierte in den ersten sechs Monaten 2022 von einem deutlich höheren Windaufkommen und stärkerer Sonneneinstrahlung gegenüber dem Vorjahr. Zum anderen wirkte sich positiv aus, dass zum Jahresbeginn bei sämtlichen Windparks neue Stromlieferverträge abgeschlossen werden konnten, aus denen vor dem Hintergrund des stark gestiegenen Preisniveaus nun Erlöse oberhalb der früheren EEG-Förderung resultieren. Allerdings konnte dadurch der enorme weitere Anstieg der Strompreise im weiteren Jahresverlauf nicht auch noch mitgenommen werden.

In Summe führten diese Faktoren zu einer Umsatzausweitung um rund ein Drittel von 3,12 auf 4,15 Mio. Euro und das Segment-EBITDA sprang von 2,44 auf 3,27 Mio. Euro bei einer nahezu konstanten Marge von 78,8 %. Vor allem geringere Abschreibungen ließen das Segmentergebnis dabei überproportional von 0,37 auf 1,59 Mio. Euro ansteigen, denn die 3U-Windparks sind ziemlich alt und der Konzern peilt ein umfangreiches Repowering an.

Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik

Die 2012 gegründete PELIA Gebäudesysteme GmbH ist ein Produktions- und Handelsunternehmen für den Großhandel sowie Anbieter von Einkaufs- und Logistikdienstleistungen für technische Gebäudeausstattung. Der Fokus liegt auf Produkten für Fußbodenheizung/Heizung, kontrollierte Wohnraumlüftung, Sanitär, Solar, Energie- und Wärmegewinnung sowie Wärmespeicherung und Wärmeversorgung. Das Trockenestrichsystem ClimaTE 25 ist ein selbst entwickeltes Fußbodenheizungssystem, das sich bereits vielfach im praktischen Einsatz bewährt hat. Im firmeneigenen Produktions- und Logistikzentrum in Koblenz werden auf einer Gesamtfläche von ca. 14.000 qm Produkte produziert, gelagert, konfektioniert und versendet. Der Schwerpunkt liegt in der Belieferung professioneller Fachgroßhändler in ganz Europa.

2018 wurde die samoba GmbH gegründet, die auf die Online-Vermietung von Profi-Werkzeug und Maschinen spezialisiert ist. Zielgruppe sind Heimwerker, Bauherren aber auch kleine Handwerksunternehmen, die professionelles Werkzeug lieber mieten, um die hohen Anschaffungskosten zu umgehen. Dabei zeichnet sich samoba sich durch ihre Standortunabhängigkeit aus, denn alle Werkzeuge und Maschinen werden den Kunden per Postversand direkt an die Haustür oder auf Wunsch an die Baustelle geliefert.

Die Selfio GmbH wiederum ist ein Anbieter hochwertiger Produkte aus den Bereichen Heizung, Sanitär sowie solare Wärmegewinnung mit Schwerpunkt auf dem Vertrieb von Fußbodenheizungen, solarthermischen Anlagen zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung sowie Kaminöfen, Schornsteinen und Lüftungssystemen. Sämtliche Produkte werden direkt und hauptsächlich online vertrieben und die Zielgruppe bilden dabei Heimwerker und Selberbauer.

Basierend auf langjähriger Erfahrung in der Heizungs- und Lüftungsindustrie bietet Selfio professionelle Unterstützung sowohl bei Neubau als auch Sanierung von Immobilien. Gleichzeitig bietet Selfio den Kunden umfassende Beratung und Service mit genauen Anleitungen, um ihnen das Heimwerkern zu erleichtern. Selfio ist die zukünftige neue Perle im 3U-Konzern, denn über die Cloudplattform werden Produkte verkauft und Dienstleistungen sowie Kundenunterstützung geboten.

Im 1. Halbjahr gab es allerdings große Herausforderungen in diesem Segment aufgrund der anhaltenden Verwerfungen in den globalen Lieferketten mit Lieferengpässen und teils massiven Preissteigerungen bei Rohmaterialien und Komponenten sowie auch bei Fracht und Logistik.

Dennoch konnte hier ein weiteres Umsatzwachstum von 11,3 % auf 15,40 Mio. Euro verbucht werden. Dabei erzielte der von derSelfio GmbH betriebene Onlinehandel mit Haustechnikprodukten Erlöse von11,9 (11,2) Mio. Euro, die sich damit auch sowohl über dem 2020er-Vergleichswert von 11,4 Mio. Euro als auch deutlich über dem Vor-Corona-Niveau aus 2019 von 10,0 Mio. Euro bewegten.

Die Materialaufwandsquote erhöhte sich infolge der einkaufsseitigen Preissteigerungen binnen Jahresfrist dennoch nur leicht auf 81,2 %, da neben Optimierungen bei Beschaffung und Vertrieb auch die umgesetzten Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsmaßnahmen Wirkung zeigten. So konnten die Personalaufwandsquote auf 9,5 % und der Anteil der sonstigen betrieblichen Aufwendungen am Umsatz auf 10,0 % reduziert werden. Dadurch drehte das EBITDA im 2. Quartal mit 0,12Mio. Euro leicht in den positiven Bereich, während es sich auf Halbjahresbasis immerhin von -0,22 auf -0,06 Mio. Euro verbesserte. Folglich blieb das Periodenergebnisblieb mit -048 Mio. Euro noch in den roten Zahlen.

Sonstige Aktivitäten

Das Segment ist geprägt von der InnoHubs GmbH. Der Gebäudekomplex InnoHubs in unmittelbarer Nähe zum IT-Campus der Julius-Maximilians-Universität sowie zur Fachhochschule in Würzburg bietet rund 14.500 m² große, moderne Büro- und Innovationsflächen für Unternehmer und Gewerbetreibende und soll mit seiner unmittelbaren Nähe zu den Hochschulen eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft ermöglichen. Er eignet sich besonders für Start-Ups und wissenschaftsnahe Unternehmen. Das Bauvorhaben wurde erst 2019 initiiert, nach kurzer Planungs- und Genehmigungsphase im Herbst 2021 begonnen und in kurzer Zeit erfolgreich vorangetrieben. In den vergangenen Monaten wurde bereits ein signifikanter Anteil der verfügbaren Flächen vorab veräußert. Auch Mietverträge wurden mit der InnoHubs GmbH bereits geschlossen. Der Einzug der ersten Eigentümer und Mieter ist für Ende dieses Jahres geplant.

Seitens der 3U Holding war das Bauprojekt von vornherein auf eine Wertsteigerung im Interesse der Aktionäre, Beschäftigten und aller Stakeholder ausgelegt und am 13. September meldete 3U den Vollzug des Anfang Juni angekündigten Verkaufs ihres 75-Prozentanteils. an der InnoHubs GmbH an die Mitgesellschafterin WüWi Beteiligungsgesellschaft mbH.

Die Effekte auf die 3U Bilanz sind enorm, denn analog zum Fortschritt des Bauvorhabens war die Bilanzsumme des 3U Konzerns in den vergangenen Monaten deutlich angestiegen. Mit Vollzug der Veräußerung der Beteiligung kehrt sich diese Entwicklung um und die Bilanzsumme sinkt wieder. Signifikante Effekte sind insbesondere die Entkonsolidierung von Sachanlagen und eine deutliche Minderung der mit dem Bauvorhaben verbundenen kurzfristigen Forderungen gegenüber Käufern von Flächen. Gleichzeitig verbessert sich durch den Zufluss des Kaufpreises von 6,5 Mio. Euro und die Rückführung des an die InnoHubs GmbH ausgereichten Darlehens die verfügbare Liquiditätsposition des Konzerns. Die Entkonsolidierung des Bauträgerdarlehens reduziert die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten auf Konzernebene und der Ertrag aus der Veräußerung trägt zur Stärkung des Eigenkapitals bei. Zugleich reduzieren sich die Minderheitenanteile am Eigenkapital um den Anteil der anderen Gesellschafterin an der verkauften InnoHubs GmbH.

Die Eigenkapitalquote des 3U Konzerns wird daher und aufgrund der Bilanzverkürzung deutlich steigen. Ergebniseffekte und weitere bilanzielle Veränderungen in Folge des Verkaufs werden ebenso im Q3-Konzernabschluss zum 30. September 2022 detailliert gezeigt.

Paukenschlag weclapp-Verkauf

Noch gravierender sind die Auswirkungen des weclapp-Deals. Denn kürzlich hat die 3U Holding einen Vertrag über den Verkauf ihrer 77-przentigen weclapp-Beteiligung an eine Tochtergesellschaft der niederländischen Exact Group B.V. geschlossen, die zum US-amerikanischen Private-Equity-Investor KKR gehört. Dabei bleibt der Gründer Ertan Özdil CEO der weclapp SE, deren Gesellschaften, Marken und Produkte fortgeführt werden.

Der vereinbarte Kaufpreis basiert auf einem Unternehmenswert von rund 227 Mio. Euro und liegt damit rund dreimal so hoch wie das frühere Wertgutachten ermittelt hatte. Auf die 3U Holding entfallen dementsprechend etwa 161 Mio. Euro und der Vertrag keine Vollzugsbedingungen oder Rücktrittsrechte beinhaltet, dürfte die Summe bis Ende September fließen. Nach Abzug der Kosten insbesondere für Rechtsberatung und Makler sowie Steuern beträgt der erwartete Transaktionserlös gut 150 Mio. Euro.

Das löst einige Rechenspiele aus. So hat 3U als Start-up-Finanzierung der weclapp insgesamt rund 20 Mio. Euro aufgewendet, weclapp im Gegenzug allerdings Beiträgen zum 3U-Konzernergebnis von etwa 4 Mio. Euro beigesteuert, wodurch sich der Mitteleinsatz von 3U in etwa verachtfacht hätte.

Angesichts der seit anderthalb Jahren einbrechenden Stimmung für Wachstumsunternehmen und dem völlig ausgetrockneten Markt für Börsengänge, hatten sich die 3U-Aktionäre bereits auf eine längere Zeitspanne eingestellt, bis das weclapp-Engagement mal monetarisiert werden würde. Doch nun erfolgt der überraschende Verkauf und angesichts des üppigen Kaufpreises erklärt sich die Hast. 3U realisiert hier den Wertzuwachs vieler Jahre innerhalb eines Augenblicks.

Bilanzverwirrungen

Der InnoHub-Verkauf und der weclapp-Exit bringen die Bilanz kräftig durcheinander, so dass die Vorlage zum Ende des 3. Quartals mit Spannung erwartet werden dürfte.

Aus den genannten Zahlen lassen sich dennoch schon jetzt einige interessante Rückschlüsse gewinnen. Aus dem weclapp-Verkauf werden der 3U Holding rund 150 Mio. Euro Cash zufließen, was knapp 4,25 Euro je Aktie entspricht. Hinzu kommen der Kaufpreis von 6,5 Mio. Euro aus dem InnoHub-Verkauf, sowie eine noch nicht genauer bezifferte Summe aus der Rückzahlung des an die InnoHub GmbH ausgegebenen Darlehens, die beide das Cashpolster zusätzlich auffüllen.

Die Ergebniseffekte werden ebenfalls gewaltig sein; der weclapp-Verkauf dürfte einen Ergebnisbeitrag im unteren dreistelligen Millionen-Euro-bereich erzielen. Zum Vergleich: bisher hatte 3U mit einem Ergebnis von 2 bis 4 Mio. Euro geplant. Spektakulär!

Doch am meisten dürfte in nächster Zeit die Frage der Mittelverwendung die Fantasie der Aktionäre anregen. Denn mit Eingang des weclapp-Verkaufserlöses wird das Cashkonto der 3U Holding mehr Geld enthalten, als der Konzern an der Börse wert ist.

Also was tun?

Einen Teil des Geldes wird 3U sicherlich für die Weiterentwicklung von selfio einbehalten wollen und ggf. auch für kleinere Ergänzungskäufe für das Geschäftsfeld. Rund 40 Mio. Euro werden für das Repowering des Windparks Langendorf veranschlagt, doch wird man diese kaum in bar aufwenden wollen, sondern zumindest teilweise langfristig finanzieren. Das Cashkonto dürfte daher durch diese Maßnahme nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen werden.

Bisher wurde eine Sonderdividende in Aussicht gestellt, aber die Höhe ist noch Gegenstand der Spekulation. Und auch die Frage, ob diese für die Aktionäre ggf. steuerfrei sein könnte.

Aktienrückkäufe sind auch ein sehr aktionärsfreundliches Mittel und eigentlich erste Wahl. Doch angesichts der geringen Börsenkapitalisierung der 3U Holding von gerade einmal 137 Mio. Euro verbietet sich dies wohl.

Aktionärsstruktur

Der Streubesitzanteil liegt bei 65,8 %. Größter Aktionär ist Gründer und Noch-Aufsichtsrat Michael Schmidt mit 25,49 %, es folgen Aufsichtsratskollege Jürgen Beck-Bazlen mit 3,86 %, die Investmentboutique Lupus Alpha Investment GmbH mit 3,35 % sowie Scherzer & Co mit 1,33 %.

Bewertung

Die Aktie notiert bei 3,90 Euro und damit unterhalb der Cashposition. Hinzu kommen die restlichen Geschäftsaktivitäten, die im 3U Konzern verbleiben.

Der Telekommunikationsbereich erwirtschaftet solide Erträge und dürfte bei einem Jahresumsatz von etwa 11 Mio. Euro so um die 15 Mio. Euro wert sein. Bei den Erneuerbaren Energien hat man PPAs abgeschlossen und profitiert damit nicht völlig von den extrem hohen Strompreisen. Ein Jahresumsatz von rund 6 Mio. Euro dürfte zu einem operativen Ergebnis von 4,5 Mio. Euro führen. Da die Anlagen allesamt älter sind, sind die potenziellen Rückbaukosten zu berücksichtigen, andererseits auch Repowering-Potenziale. Das EE-Segment könnte daher mit 6 bis 7 Mio. Euro zu bewerten sein.

Das Segment SHK ist geprägt durch Selfio, die noch Verluste macht, aber deutlich wächst. Ein Jahresumsatz von rund 30 Mio. Euro könnte eine Bewertung von 15 Mio. Euro rechtfertigen, auch angesichts der aktuellen Lage für Wachstumsunternehmen.

In Summe käme man auf eine Bewertung für das Restgeschäft von 3U von mindestens 35 Mio. Euro und damit auf 1 Euro je Aktie. Zuzüglich der Cashposition von rund 4,50 Euro je Aktie ergäbe sich damit ein fairer Werte je Aktie von 5,50 Euro. Verglichen mit dem aktuellen Kurs von 3,90 Euro ergäbe dies einen Abschlag von 30 %. Oder mit Warren Buffetts Worten: Bei 3U kann man den Euro für 70 Cents kaufen.

Bullcase vs. Bearcase

3U kam 1999 auf dem Hochpunkt des Börsenhypes an die Börse und die Aktien waren damals maßlos überbewertet. Der folgende Absturz war brutal und auch das Geschäftsfeld musste mehrmals Umstrukturierung und neu ausgerichtet werden. Maßgebliche Akteure von damals bestimmen auch heute noch die Geschicke, daher wohnt dem Ganzen ein Maß an Skepsis inne.

In den letzten 10 Jahren wurden hingegen überwiegend Erfolgsgeschichten geschrieben. Mit dem lukrativen Verkauf von LambdaNet wurde der Grundstein für die Expansion in neue Geschäftsfelder gelegt und hier zeigen sich nun spektakuläre Ergebnisse. Bei selfio schwingt sie Hoffnung mit, dass sich der außergewöhnliche Erfolg von weclapp in einigen Jahren zumindest ansatzweise wiederholen lässt, und mit dem Geschäftsfeld Erneuerbare Energien hat man rechtzeitig auf ein neues Zukunfts- und Wachstumssegment gesetzt.

Das Vertrauen der Aktionäre in die Gremien haben Vorstand und Aufsichtsrat in den letzten Jahren mehr als gerechtfertigt. Und das führt uns zum nächsten Thema: dem Cashberg. Nun sitzt 3U auf einem großen Berg an Geld und es stellt sich die Frage, was damit sinnvoll anzufangen ist. Hierzu werden bestimmt in den nächsten Wochen und Monaten Vorschläge folgen. Der hohe Abschlag des Aktienkurses auf den Wert des Unternehmens spiegelt auch die Furcht der Anleger wider, das Geld könnte in einem sinnlosen Kaufrausch für wenig aussichtsreiche neue Geschäftsfelder versickern. Doch angesichts der Erfolge des Managements in den letzten Jahren dürfte diese Gefahr übertrieben sein. Vielmehr hat man seine Fähigkeiten bei der Kapitalallokation mehrfach unter Beweis gestellt und auch beim Besetzen zukunftsfähiger Trendgeschäftsfelder.

Die Aktie ist markteng, doch geduldige Anleger könnten auf diesem Kursniveau auf ein Angleichen zwischen Wert und Preis setzen und darüber hinaus auf eine gewinnbringende Verwendung der nun reichlich vorhandenen Geldmittel. Insgesamt ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis mit geldgewebtem Sicherheitsnetz.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über 3U Holding wissen muss

  1. 3U Holding ist in den drei Segmenten Informations- und Telekommunikationstechnik, Erneuerbare Energien sowie Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik aktiv.
  2. Der Telekommunikationsbereich spielt solide Umsatz- und Gewinne ein, während die Erneuerbaren Energien viel Fantasie bergen.
  3. Der Verkauf der ERP-Plattform weclapp spült 150 Mio. Euro in die Kasse, während der 3U-Konzern nur mit 137 Mio. bewertet wird. Chance auf eine Angleichung.
  4. Selfio könnte perspektivisch in die Fußstapfen von weclapp treten und mit seinem gut skalierbaren Geschäftsmodell der neue Wachstumstreiber des Konzerns werden.
Disclaimer: Habe 3U Holding auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

2 Kommentare:

  1. Hallo, ist die Bewertung der EE nicht viel zu niedrig ? 6M Umsstz war schon 4 Mio. Normalerweise ist eine Bewertung von 10x Ev/ebitda für eine Deutsche Wind/Solaranlage nicht aggressiv.

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    1. Die 3U-Anlagen sind ja eher älteren Baujahrs und 3U will sie nach eigenem Bekunden nicht verkaufen. Insofern spielen aktuelle Mondpreise, die durchaus für einzelne EE-Parks gezahlt werden meiner Meinung nach nicht die ganz entscheidende Rolle. Viel mehr ist wichtig, ob die Anlagen über das ursprünglich geplante Ablaufdatum weiterbetrieben werden können/dürfen und ob es ggf. Repoweringmöglichkeiten auf dem Grundstück gibt. Beim Ertragswert ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die momentan sehr hohen Strompreise nicht einfach endlos in die Zukunft fortgeschrieben werden können. Bedeutet konkret: Repowering würde viel mehr Stromproduktion ermöglichen, aber neben dem hohen Invest auch für einen längeren Ausfall der Stromproduktion während der Repoweringmaßnahme führen. Zudem erleben wir in 2022 gerade ein Jahr mit sehr hoher Windausbeute, was auch nicht immer so stattfindet (2021 war eher schwach). In 2022 stoßen also große Menge und hoher Preise aufeinander, was zu besonders starken Ergebnissen führt.

      3U ist also Profiteur der Situation, aber auch ihr Gefangener. Ich habe daher lieber einen konservativen Wert angesetzt, als eine optimistischen. Wenn man so möchte, kann man dies auch als Bewertungsreserve ansehen.

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