Montag, 22. April 2024

Kissigs Nebenwerte-Analyse: Blue Cap will endlich wieder in die Offensive kommen

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Artikel aus "Der Nebenwerte Investor" Ausgabe 6/2024 vom 26.03.2024

▶ In dieser Ausgabe: Encavis, Netfonds, Blue Cap, Deutsche Rohstoff, Adesso, KION, Freenet, SMA Solar


Blue Cap will endlich wieder in die Offensive kommen

Die Blue Cap AG leidet als Beteiligungsgesellschaft mit Schwerpunkt Deutschland unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch unter hausgemachten Herausforderungen. Nachdem es vor einigen Jahren eine Neujustierung des Geschäftsmodells gab samt neuer Eigentümerstruktur und neuem Führungspersonal, muss es inzwischen erneut ein neuer Vorsitzender richten. An der neuen strategischen Ausrichtung soll sich nichts ändern – nur müssen den Ankündigungen irgendwann auch Taten folgen. Daran hapert es bisher, doch in 2024 soll sich auch das ändern.

Seine ersten Erfolge feierten die Münchener als Sanierungsspezialisten. Es wurden angeschlagene und ungeliebte Unternehmen für wenig Geld gekauft und anschließend auf Vordermann gebracht. Dabei entstand ein Sammelsurium an Einzelkämpfern mit wenig Synergiepotenzial. Die strategische Neuausrichtung orientierte sich an dem bei anderen Unternehmen der Branche erfolgreichen Plattformmodell, wobei innerhalb des Beteiligungsportfolios Cluster gebildet werden, die durch gezielte Add-on-Zukäufe auf Größe und Rendite getrimmt werden. So sollte ein attraktives und starkes Portfolio aufgebaut werden. Doch mit dem Abgang von CEO Tobias Hoffmann-Becking änderte sich – erneut - nicht nur das Gesicht an der Spitze, sondern auch die strategische Ausrichtung wurde angepasst auf 'Buy, Transform, Sell'. Wobei die Betonung nun auf Sell liegt, also dem möglichst erfolgreichen Verkauf von Beteiligungen.

Das neue Vorstandsteam

Das Vorstandsteam besteht aus zwei Personen: Vorstandsvorsitzender und CEO ist seit Oktober 2023 Dr. Henning von Kottwitz. Der promovierte Volljurist verfügt über langjährige Erfahrung in der Beteiligungsbranche und im deutschen Mittelstand und ist zuständig für die Bereiche Mergers & Acquisitions, Kapitalmarkt, Finanzen und Recht. Zugleich ist er seit 2019 Vorstand bzw. Liquidator der PartnerFonds AG i.L., einer Beteiligungsgesellschaft in Auflösung, die größter Anteilseigner bei der Blus Cap AG ist. Das Unternehmen hält noch 26,9 % der Blue Cap-Aktien, nachdem man Ende 2022 an einen Privatinvestor 660.000 der zuvor gehaltenen 1.842.500 Aktien veräußert hat. Und man macht kein Hehl daraus, dass man die Blue Cap-Aktien lieber heute als morgen loswerden möchte. Allerdings kursschonend und nicht unter Wert. Was angesichts der schlechten Kursperformance der Blue Cap-Aktien eine nicht gerade kleine Herausforderung darstellt.

Zweites Vorstandsmitglied der Blus Cap AG ist Henning Eschweiler. Er ist seit September 2022 Chief Operating Officer der Blue Cap AG und verantwortet das Beteiligungsmanagement sowie das Thema Nachhaltigkeit.

K(l)eine Fortschritte

Der letzte große Wurf erfolgte Mitte 2023 mit dem Verkauf der Knaur Uniplast-Gruppe, einem Spezialisten für Lebensmittelverpackungen für die Molkereiindustrie. Käufer war das Vorstandsteam und dem entsprechend wurde nicht der ursprünglich erhoffte große Betrag in die Kassen gespült. Zudem wurde ein Teil des Kaufpreises von der Blue Cap AG als Darlehen gewährt.

In dem schwierigen Wirtschaftsumfeld, das sich seitdem ja nicht verbessert hat, hat Blue Cap wohl mit einem Vorsteuererlös im niedrigen zweistelligen Millionenbereich das Beste aus der Situation herausgeholt.

Der Verkauf brachte aber nicht nur einen Gewinn mit sich, da der Kaufpreis rund 17 % über dem vorherigen letzten Wertansatz von Knaur Uniplast in der Blue Cap-Bilanz erfolgte, sondern er senkte auf der anderen Seite die Konzernumsätze und Ergebnisbeiträge, so dass eine Anpassung der Jahresprognosen nötig wurde. Nachvollziehbar und die neue Messlatte, an der sich Blue Cap messen lassen wollte und musste.

Strategieupdate 'Blue Cap 2026'

Etwas überraschend präsentierte das neue Vorstandsteam Ende November seine Weiterentwicklung von 'Buy, Transform, Sell'. Das Strategieupdate 'Blue Cap 2026' verfolgt das Ziel, den Net Asset Value (NAV) je Aktie bis zum Ende des Geschäftsjahres 2026 auf 60 Euro zu steigern. Ende Juni 2023 lag der Wert noch bei 30,36 Euro und das neue Ziel ist mit einer Verdopplung in nur drei Jahren damit sehr ambitioniert.

Kern der Strategieumsetzung solle eine deutliche Erhöhung der M&A-Transaktionen seine sowie die aktive Transformation der Portfoliogesellschaften. Dazu will Blue Cap künftig zwei bis vier Transkationen pro Jahr durchführen. Die erhöhte Anzahl von Unternehmenskäufen und die daraus entstehenden Wertsteigerungspotenziale sollen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Zielvorgabe bis 2026 zu erreichen. Dazu wird der Transaktionsradius auf Sondersituationen ausgeweitet – das klingt ein bisschen wie „Back to the Roots“, denn das war die Spezialität von Gründer und CEO Hannspeter Schubert, bevor er seine Aktien an Partnerfonds verkaufte und später ganz aus dem Unternehmen ausscheiden musste.

Den zweiten wesentlichen Wachstumsstrang soll das aktive Portfoliomanagement in den Beteiligungsunternehmen bilden auf Basis einer kennzahlenbasierten Steuerung der Portfoliounternehmen. COO Henning Eschweiler betonte dazu, dass das Blue Cap-Team unter schwierigen makroökonomischen Rahmenbedingungen 2023 die Nettoverschuldung im Konzern um rund 25 % reduziert und EBITDA-wirksame Maßnahmen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich umgesetzt habe. 'Blue Cap 2026' baue auf diesen Fähigkeiten auf, wobei 'Turnaround' nun explizit in das Verständnis von 'Transform' einbezogen werde, das das Herzstück des Buy, Transform, Sell-Geschäftsmodells bleibe.

Blue Caps Ziel wird künftig sein, den Return on Invested Capital (ROIC) maßgeblich zu steigern. Solchen Akquisitionen aus Sondersituation, die sich durch einen hohen Werthebel in Relation zum Kaufpreis auszeichnen, misst die Blue Cap dafür eine besondere Relevanz bei. Und wie erfolgreich man damit sein kann, macht der ebenfalls in München ansässige Sanierungsspezialist Mutares seit Jahren sehr erfolgreich vor.

Schwieriges 2. Halbjahr 2023

Das 3. Quartal lief noch sehr schwach, im 4. Quartal waren dann bereits erste Erholungstendenzen zu erkennen. Zudem griffen Einspareffekte und erfolgreiche Nachverhandlungen.

Mitte März legte Blue Cap vorläufige Zahlen für 2023 vor. Der konsolidierte Umsatz fiel um 6 % auf 273,3 Mio. Euro und lag im Rahmen der erwarteten Umsatzspanne von 265 bis 285 Mio. Euro. Das bereinigte operative Betriebsergebnis (Adjusted EBITDA) ging mit 23,2 Mio. Euro durchs Ziel und damit 16 % unter Vorjahr. Entsprechend sank die Adjusted EBITDA-Marge von 9,3 auf 8,5 %, erreichte damit jedoch das obere Ende der im Januar 2024 angepassten Prognosespanne von 8,3 bis 8,5 %.

Es lief also etwas besser als zuletzt befürchtet und das lag neben den operativen Erfolgen bei der Tochter Neschen auch von Sondereffekten. So ist den im Plastik-Segment zusammengefassten Unternehmen con pearl sowie H+E gelungen, höher als gedachte Kompensationszahlungen aufgrund von Minderabnahmen durchzusetzen.

Die Gruppe erreichte im 4. Quartal einen Umsatz von 64,3 Mio. Euro und ein Adjusted EBITDA von 7,3 Mio. Euro, das sich in einer Marge von 11,6 % niederschlug. In der Gesamtbetrachtung wirkte das Wachstum der HY-LINE, welches vor allem im ersten Halbjahr aufgrund des starken Auftragsbestands sehr hoch war, positiv. Gegenläufig wirkten bei einigen Beteiligungen reduzierte Abrufe, verschobene Projekte und die allgemeine Zurückhaltung auf der Kundenseite in einem wirtschaftlich schwachen Umfeld. Der im Vorjahresvergleich starke Rückgang des Adjusted EBITs von 15,1 auf 6,8 Mio. Euro ist im Wesentlichen auf den negativen Ergebnisbeitrag der Minderheitsbeteiligung Inheco (At-Equity-Konsolidierung) zurückzuführen.

Die Blue Cap verfügt Ende 2023 über eine recht solide Bilanz- und Finanzierungsstruktur. So konnte die Eigenkapitalquote mit 37 % gegenüber dem Jahresende 2022 stabil gehalten werden, während der Nettoverschuldungsgrad (inkl. Leasingverbindlichkeiten) mit 2,5 Jahren weiterhin innerhalb des Zielkorridors von unter 3,5 Jahren lag. Zudem gelang es, die Nettofinanzverschuldung im Jahresvergleich und gegenüber dem Jahresende 2022 spürbar von 70,1 auf 58,9 Mio. Euro zu reduzieren.

Unterschiedliche Segment-Entwicklung

Ende 2023 befinden sich im fortgeführten Portfolio der Blue Cap sieben Mehrheitsbeteiligungen, die den Segmenten Plastics, Adhesives & Coatings, Business Services und Others zugeordnet werden. Hinzu kommt die Minderheitsbeteiligung Inheco.

Im Segment Plastics konnte con-pearl trotz spürbaren Nachfragerückgangs und der Verschiebung eines Großauftrags aus dem Logistikbereich ein gutes Ergebnis ausweisen, was vor allem auf die positive Dynamik im US-Markt zurückzuführen war. H+E profitierte zum Jahresende von erfolgreich verhandelten Kompensationszahlungen aufgrund von Minderabnahmen. Diese kompensierten das im Vorjahresvergleich niedrigere Abrufvolumen, welches aus der Konjunktur- und Absatzschwäche resultierte. Somit konnte H+E 2023 leicht besser als im Vorjahr abschließen. Das Plastics Segment trug mit einem Adjusted EBITDA von 11,6 Mio. Euro und einer Marge von 12,3 % am stärksten zum Ergebnis der Gruppe bei.

Das Segment Adhesives & Coatings profitierte im 4. Quartal von den positiven Effekten aus dem durchgeführten Turnaround-Programm bei Neschen, sodass die EBITDA-Marge im Jahresvergleich spürbar auf 6,4 % verbessert wurde. Zudem zog bei Neschen im 2. Halbjahr das Auftragsvolumen in den beiden Geschäftsbereichen Industrial Applications und Documents wieder an. Planatol hingegen war im gesamten Jahresverlauf von einem signifikanten Nachfragerückgang betroffen, der sich in nahezu allen Geschäftsbereichen bemerkbar machte.

Das Segment Business Services entwickelte sich umsatzseitig leicht besser als im Vorjahr. HY-LINE konnte dank eines starken ersten Halbjahrs den reduzierten Auftragseingang in der zweiten Jahreshälfte in der Gesamtbetrachtung überkompensieren. Transline hat sich 2023 leicht besser als im Vorjahr entwickelt, was im Wesentlichen auf den Ausbau von Bestandskunden und der Gewinnung einiger Neukunden zurückzuführen war. Erfolgreich realisierte Kosteneffizienzmaßnahmen wirkten sich zusätzlich positiv aus.

Im Segment Others lag die kleinste Beteiligung der Blue Cap, nokra, aufgrund gestiegener Kosten bei konstantem Umsatz im Ergebnis unter Vorjahr.

Bei der Minderheitsbeteiligung Inheco wurde in Folge eines deutlichen Nachfrageeinbruchs ein umfangreiches Turnaround-Programm initiiert, welches sich auf eine starke Reduktion von Kosten und eine Verbesserung des Working Capital fokussiert. Damit konnte das Ergebnis im Laufe des Jahres stabilisiert werden, ab 2024 werden spürbare Verbesserungen erwartet.

Optimistischer Ausblick auf 2024

CEO Dr. Henning von Kottwitz blickt zuversichtlich auf die kommenden Monate. Man habe 2023 seine Hausaufgaben gemacht und wesentliche Ertragssteigerungsprojekte umgesetzt, was sich bereits an den Ergebnissen des 4. Quartals zeige.

Als Folge seien jetzt einige der Gesellschaften im Portfolio "kommerziell exit-ready", so dass Blue Cap sein erklärtes Ziel, ein bis zwei Unternehmen in diesem Jahr zu verkaufen, "sehr optimistisch" entgegensehe. Außerdem sei man bereits aktiv auf der Suche nach Unternehmen, die Blue Caps neuen und fokussierten Akquisitionskriterien entsprechen.

Bullcase vs. Bearcase

Blue Cap hat sich in den letzten drei Jahren zweimal komplett neu aufgestellt mit neuem Vorstand, neuer Strategie und deutlichen Umwälzungen im Beteiligungsportfolio. Der Aktienkurs hat diese Veränderungen zunächst sehr wohlwollend begleitet, inzwischen sind die Vorschusslorbeeren aber verbraucht und er notiert wieder auf dem Niveau von 2018.

Dass der größte Aktionär, die PartnerFonds AG i.L. ihre Anteile losschlagen will, bleibt eine Belastung für jede Entwicklung. Und auch die schlechte Kursentwicklung trägt nicht dazu bei, hier allzu positive Erwartungen zu hegen. Zumindest spielt Dr. von Kottwitz hier auf beiden Seiten aktiv mit, so dass auch Blue Cap-Aktionäre nicht befürchten müssen, bei der Lösung des 'PartnerFonds-Dilemmas' den Kürzeren zu ziehen.

Quelle: wallstreet-online.de
Die letzten Jahre hat Blue Cap viel weniger geliefert als versprochen wurde. Das liegt natürlich nicht am aktuellen Vorstandsteam, aber die neuen, sehr ehrgeizigen Ziele mit einer Verdopplung des NAV bis Ende 2026 auf 60 Euro können sich schon zu einer Belastung auswachsen. In den letzten Jahren gab es mit der Corona-Pandemie, hoher Inflation, Energiepreisexplosion, gestörter Lieferketten, Ukrainekrieg und Wirtschaftsflaute reichlich externe negative Einflussfaktoren, die jegliche Pläne ein ums andere Mal über den Haufen geworfen haben. Das übersteht kein Plan, egal, wie ehrgeizig und gut gemeint er war. Wettbewerber GESCO bekommt das aktuell schmerzhaft zu spüren. Dessen CEO Rumberg hatte ebenfalls sehr ehrgeizige Mittelfristziele formuliert, konnte aber nicht liefern. Nun muss er GESCO verlassen und hinterlässt viele offene Baustellen.

Das muss nicht auch bei Blue Cap passieren, aber das Risiko besteht durchaus. Der neue Vorstand muss sich erst noch beweisen und die in den letzten Jahren wenig erfolgsverwöhnten Aktionäre drücken ihm die Daumen. Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg ist die neue, aggressivere M&A-Strategie. Interessierte Anleger sollten genau hinsehen, ob diese in den nächsten Monaten mit Erfolgsmeldungen ein solides Fundament bekommt, oder ob die sehr hoch gelegte Messlatte sich doch als unüberwindbar erweist.

Die 4 wichtigsten Dinge, die man über Blue Cap wissen muss

  1. Blue Caps erneute strategische Neuausrichtung steht vor der Nagelprobe und muss endlich Erfolge liefern.
  2. Im 2023er Schlussquartal zeigen sich erste Erholungstendenzen und zusätzlich führten Sondereffekte zur Erreichung der zuvor gesenkten Prognosen.
  3. Der Börsenkurs weist gegenüber dem Buchwert (NAV) einen deutlichen Abschlag auf. Dieses allerdings seit Jahren bestehende Potenzial konnte bisher nicht aktiviert werden.
  4. Der abgabewillige Großaktionär PartnerFonds i.L. bleibt ein Belastungsfaktor, bis das Dilemma gelöst ist. Das birgt neben Risiken aber auch Chancen für risikobewusste Anleger.
Disclaimer: Habe Blue Cap, GESCO, Mutares auf meiner Beobachtungsliste und/oder im Depot/Wiki.

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