Freitag, 18. August 2017

Bei VTG läuft es (zu) gut: Kosten rauf, Gewinne auch. Aber erst später...

Den Schienenlogistik-Konzern VTG hatte ich Ihnen kürzlich erst wieder ans Herz gelegt und eigentlich läuft für die Hamburger alles wie am Schnürchen. Nun ja, es läuft eben zu gut und daher gab das Unternehmen heute die Anpassung seiner Jahresprognosen bekannt. Und diese Meldung scheint auf den ersten Blick eher zu verwirren, denn man könnte sie als Gewinnwarnung auslegen - und zwar in beider Richtungen.

Und genau das ist auch das Problem, denn aus der bisherigen Formulierung eines konkreten Gewinnziels wurde nun eine Bandbreitenprognose. Und ob sich das Ergebnis eher am unteren oder am oberen Ende einfinden wird, hängt davon ab. Und das gleich von mehreren Faktoren.

Doch nun im Einzelnen: Die europäische Waggonvermietung der VTG verzeichnete zum Anfang des dritten Quartals eine ungewöhnlich hohe Nachfrage nach Güterwagen, die durch die Herrichtung von rund 1.100 bisher unvermieteter Wagen bedient werden soll. Da die Bereitstellung zwischenzeitlich abgestellter Wagen zunächst Ingangsetzungsaufwendungen verursacht, bevor zusätzliche Erträge erzielt werden, wird sich die steigende Nachfrage in 2017 negativ auf das EBITDA auswirken und zwar vermutlich im Volumen von rund 4 Mio. Euro.

Zudem "befürchtet" der Vorstand, dass sich die positive Nachfrageentwicklung im vierten Quartal aufgrund der guten wirtschaftlichen Indikatoren fortsetzen könnte, und das würde weitere Aufwendungen für zusätzliche Ingangsetzungen zur Folge haben.

Das Ergebnis hieraus ist, dass im zweiten Halbjahr 2017 die Kosten ansteigen, während die Einnahmen erst nachgelagert eintrudeln werden. Für 2017 könnte also das Ergebnis runter gehen, während es in 2018 und späteren Jahren dann zu zusätzlichen Einnahmen kommen wird.

Darüber hinaus wurden Anfang August dieses Jahres unter Leitung der europäischen Eisenbahnagentur (ERA) technische Änderungen an bestimmten Bremssystemen beschlossen, die zu einer weiteren Erhöhung der Sicherheit im Eisenbahngüterverkehr beitragen sollen. Bei der VTG ist in diesem Zusammenhang an rund 950 Containertragwagen die Überarbeitung von Bremssystemen erforderlich, die zu einem Einmalaufwand von rund 2,5 Mio. Euro in 2017 führen wird.

Diese Kosten führen zu mehr Sicherheit und fallen einmalig an, erzeugen aber keine zusätzlichen Einnahmen.

 VTG AG (Quelle: wallstreet-online.de
Und als Drittes spielt noch die Übernahme der Nacco eine Rolle. Denn abhängig vom Zeitpunkt der erwarteten Zustimmung der Kartellbehörden können sich hieraus für das laufende Geschäftsjahr sowohl Ergebnisbeiträge, bei einer frühzeitigen positiven Entscheidung, als auch Mehrbelastungen, bei einer späteren Entscheidung, ergeben.

Aufgrund dieser drei Faktoren, von denen zwei aktuell nicht konkret beziffert werden können, passt VTG seine Jahresprognosen an. Demnach wird für das laufende Geschäftsjahr 2017 ein Konzern-EBITDA in der Bandbreite von 330 Mio. bis 360 Mio. Euro erwartet. Zuvor wurde ein leichter Anstieg über das Vorjahresergebnis von 345,3 Mio. Euro prognostiziert.

Vorläufige Quartalszahlen
Nach vorläufigen Zahlen lag der Konzernumsatz im zweiten Quartal 2017 bei 255,0 Mio. Euro nach 243,8 Mio. Euro im ersten Quartal 2017. Das EBITDA erreichte 86,7 Mio. Euro im zweiten Quartal 2017 nach 76,6 Mio. Euro im Vorquartal. Die Auslastung beträgt zum Ende des zweiten Quartals 2017 91,2% (Ende Q1 2017: 90,3%). Für die Umsatzprognose geht der Vorstand unverändert von einem Wert leicht über dem Vorjahr aus (Vorjahr: 986,9 Mio. Euro). Die endgültigen Ergebnisse zum zweiten Quartal 2017 wird VTG am 29. August veröffentlichen.

Die Prognoseanpassung verunsichert die Anleger. Sie ist aber aus Sicht des Unternehmens notwendig und aus meiner Sicht auch richtig. Denn es haben sich ergebnistangierende Faktoren ergeben, die man den Anlegern nun mitteilt. Und auch, welche Auswirkungen diese haben können.

Unter dem Strich zeigt sich, dass VTG sich auf einem soliden Wachstumskurs befindet und die Kosten weiter sukzessive senkt. Die erhöhte Nachfrage ist positiv zu sehen, auch wenn sie zunächst Kosten verursacht, um bereits ausrangierte Waggons wieder in Gang zu bringen. Die auf 91,3% erhöhte Auslastungsquote zeigt, wie erfolgreich VTG am Markt agiert.

Sobald diese neuen alten Waggons für die Kunden auf der Schiene sind, bringen sie auch zusätzliche Erträge, während die Kosten für die Ingangsetzung einmalig anfallen. In der Bilanz wird sich diese Maßnahme auch dergestalt positiv auswirken, dass die alten Waggons einen Wertzuwachs erfahren.

Meine Einschätzung
Bei VTG kauft man sich in ein solides und bewährtes Business ein, das nicht von großen Schwankungen geprägt ist. Das Unternehmen kann sich negativen Konjunktureinflüssen nicht entziehen, hat auf der anderen Seite aber intern eine Menge an Effizienzpotenzial, das der Vorstand in den nächsten Jahren heben möchte. Auch nach dem jüngsten Zukauf der Nacco-Gruppestreckt man die Fühler nach dem einen oder anderen Übernahmeziel aus, um auch anorganisch weiter zu wachsen.

Das Kursrisiko nach unten sollte durch die langlaufenden Verträge in der Waggonvermietung begrenzt sein, während die anvisierte Hebung des Gewinns je Aktie auf 2,50 Euro im Jahr 2018 noch einiges an Kurspotenzial verspricht. VTG ist damit eine solide Aktie fürs Depot, ein Ackergaul, kein Rennpferd. Was in so volatilen Zeiten, wie wir sie die letzten Monate an der Börse erlebt haben, ja durchaus als zusätzlicher Pluspunkt gewertet werden kann.

Und auch von anderer Seite könnte der Schienenverkehr zusätzlichen Rückenwind bekommen, denn es wird angestrebt, die Trassenpreise für den Schienengüterverkehr, die sog. Schienenmaut, deutlich zu senken, was die Güterbahnen in Höhe von 330 bis 350 Millionen Euro pro Jahr entlasten könnte. Damit würde der Schienenverkehr gegenüber dem Lkw weiter an Attraktivität gewinnen und sich damit auch die Nachfrage nach VTG-Waggons weiter erhöhen.

VTG befindet sich daher meiner Empfehlungsliste und ich nutze kursschwache Tage immer mal wieder zum Aufstocken meiner Depotposition.

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