Montag, 30. Januar 2023

Kissigs Aktien Report: Nach dem Spin-off ist vor dem Spin-off - General Electric wagt den dreifachen Neustart

Im Rahmen meiner Kooperation mit dem "Aktien Report" von Armin Brack nehme ich mir in unregelmäßigen Abständen interessante Unternehmen vor. Die Ausgaben des "Aktien Reports" und/oder "Geld Anlage Reports" erreichen ihre Leser samstags kostenlos und "druckfrisch" im Email-Postfach und man kann sich ▶ hier beim "Geld Anlage Report" anmelden. Bonbon für die Leser meines Blogs: einige Tage später darf ich die Artikel dann auch hier veröffentlichen.

Aktien Report Nr. 121 vom 21.01.2023

Nach dem Spin-off ist vor dem Spin-off: General Electric wagt den dreifachen Neustart

General Electric, das ist eines dieser Unternehmen, die jeder kennt. Vor etwas mehr als 20 Jahren war es noch das wertvollste Unternehmen der Welt und wurde von einer wahren Legende geführt: Jack Welch.

Welch trat Ende 2001 auf dem Höhepunkt als CEO ab. Er hatte die Ära der Konglomerate mit erfunden und zur Größe geführt, die breitestmögliche Diversifizierung eines Unternehmens galt als das unternehmerische Nonplusultra. In je mehr Branchen ein Konglomerat tätig war, desto sicherer war es vor Wirtschaftsflauten und Konjunktureinbrüchen. Irgendeine Sparte lief immer prächtig und stabilisierte so die kriselnden und das ganze Konglomerat. So war die Denke damals.

Die Kehrseite war jedoch, dass es in einem solchen Konglomerat zu keinem Zeitpunkt überall wirklich rund läuft. Es gibt immer Krisenherde, immer neu aufgerissene Baustellen. Und was in der Theorie so schön, so stabil klang, entpuppte sich in der Praxis als Mühlstein um den Hals. Die florierenden Unternehmensteile mussten jeweils Rücksicht auf die lahmenden Sparten nehmen, sie konnten ihr wahres Potenzial nie ausschöpfen, weil sie von anderen Bereichen gebremst wurden. Es zeigte sich, dass Konglomerate nicht funktionierten und immer mehr Unternehmen fokussierten sich wieder auf ihre Kernkompetenzen und stießen die nun zu Randaktivitäten erklärten wesensfremden Sparten ab.

Bei General Electric unterblieben die nötigen Veränderungen zu lange, auch wenn zwischenzeitlich die Haushaltsgerätesparte an die chinesische Haier verkauft wurde, und so erlebte das Unternehmen einen historischen Absturz. Das früher wertvollste Unternehmen der Welt verkam zum Pennystock (was heute im Chart aufgrund eines 1:8 Reverse Stock-Splits im August 2021 nicht mehr sichtbar ist) und flog Mitte 2018 als letztes verbliebenes Gründungsmitglied nach 110 Jahren aus dem Dow Jones Index.

Der Retter

2018 zogen die Verantwortlichen bei General Electric die Reißleine und stellten erstmals in der Geschichte des Unternehmens einen externen CEO ein: den "Anti-Welch" Larry Culp. Culp ist ein Experte für Unternehmensführung und -sanierung, der lange Jahre CEO der erfolgreichen Danaher Corp. gewesen war, doch vor ihm lag eine schier unlösbare Aufgabe, denn GE verbuchte Milliardenverluste.

Quelle: wallstreet-online.de
Die Finanzkrise 2008/09 hatte das Unternehmen schwer getroffen und seine ehemalige Cashcow, die Finanzsparte, versenkt. Die Atomkatastrophe von Fukushima und die beginnende Abkehr von fossilen Kraftwerken setzten die Kraftwerkssparte unter Druck, wo GE vor Siemens Weltmarktführer war. In der Coronapandemie traf es GE besonders arg als einen der weltweit führenden Hersteller von Flugzeugtriebwerken. Nur die Atomkraft erlebt inzwischen eine Renaissance, außer in Deutschland, und das hilft GE als führendem Anbieter.

GE stand bei Larry Culps Amtsantritt vor fünf Jahren also mit dem Rücken zur Wand. Das Unternehmen war chronisch ertragsschwach und überbordend verschuldet. Jedem war klar, dass die Sanierung über den Verkauf von milliardenschweren Sparten und Tochtergesellschaften laufen muss und wenn alle potenziellen Käufer von Notverkäufen wissen, drückt dies zusätzlich auf den Preis. Schlecht für den Verkäufer.

Doch Larry Culp ließ sich nicht hetzen, die Notverkäufe blieben aus. Nach einer mehrmonatigen Bestandsaufnahme ging er seinen Sanierungsplan an und begann, Teile des Unternehmens zu veräußern. Und dabei erzielte er marktgängige Preise. General Electric verlor auf diese Weise zwar Umsatz, aber auch Schulden. Und am Markt begann sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass GE wohl doch die Kurve kriegen könnte.

GEs Transformation

Aber solche Buchhaltertricks lösen nicht das eigentliche Problem von GE, das weiß auch Larry Culp. Und so ging er die wahren Probleme beherzt an und transformiert GE in ein modernes, IT-gestütztes Industrieunternehmen.

Zunächst verkaufte Culp GEs Biopharma-Geschäft (heute "Cytiva") und zwar ausgerechnet an Larry Culps ehemaligen Arbeitgeber, die Danaher Corp. Und die vereinnahmten 21,4 Mrd. USD haben die finanzielle Lage bei General Electric deutlich entspannt. Anschließend fusionierte GE sein Transport-Geschäft mit Wabtec und strich dabei noch mehr als 3 Mrd. USD ein. An der neuen Wabtec hält GE einen Minderheitsanteil von 24,9 %.

Nach dem Verkauf einiger Randaktivitäten folgten auch tiefgreifende Veräußerungen, wie die der Beteiligung Baker Hughes und die Flugzeug-Leasingsparte wurde mit Wettbewerber AerCap fusioniert. Das war ein echter Coup und Larry Culp bezeichnet dies als "bedeutenden Meilenstein in GEs Transformation zu einem fokussierten, einfacheren und stärkeren High-Tech-Industrieunternehmen". GE erzielte aus dem Verkauf mehr als 30 Mrd. USD, darunter 23 Mrd. in bar. Zusätzlich bekam GE 111,5 Mio. neu emittierte AerCap-Aktien, was einem Anteil von 46 % an dem fusionierten Unternehmen entsprach. Dabei stellte Culp klar, dass man diesen Anteil monetarisieren werde, wenn sich die Luftfahrtindustrie erholt habe.

Auf der anderen Seite kaufte GE auch wieder Unternehmen zu und stärkte seine verbliebenen Sparten. Doch der stärkste Move von Larry Culp erfolgt mit der Aufspaltung des Konzerns in drei selbständige Unternehmen.

Die 3 GEs

Damit sollen drei branchenführende, globale Unternehmen entstehen, die sich auf die Wachstumssektoren Luftfahrt, Gesundheitswesen und Energie konzentrieren. Larry Culp erläuterte dazu bei der Vorstellung der Pläne im November 2021:

"Durch die Schaffung von drei branchenführenden, globalen börsennotierten Unternehmen kann jedes von ihnen von einer stärkeren Fokussierung, einer maßgeschneiderten Kapitalallokation und einer strategischen Flexibilität profitieren, um langfristiges Wachstum und Wert für Kunden, Investoren und Mitarbeiter zu schaffen. Wir setzen unser technologisches Know-how, unsere Führungsrolle und unsere globale Reichweite ein, um unsere Kunden besser zu bedienen.

Heute ist ein entscheidender Moment für GE, und wir sind bereit. Unsere Teams haben hervorragende Arbeit geleistet, um unsere finanzielle Position und unsere operative Leistung zu stärken und gleichzeitig unsere Kultur der kontinuierlichen Verbesserung und der schlanken Strukturen zu vertiefen. Und wir sind noch nicht fertig - wir konzentrieren uns weiterhin darauf, Schulden abzubauen, unsere operative Leistung zu verbessern und Kapital strategisch einzusetzen, um ein nachhaltiges, profitables Wachstum zu fördern. Wir müssen schnell handeln, um die Zukunft des Fliegens zu gestalten, Präzisionsmedizin anzubieten und die Energiewende anzuführen. Die Dynamik, die wir aufgebaut haben, versetzt uns in eine Position der Stärke, um diesen spannenden nächsten Schritt in der Transformation von GE zu gehen und das volle Potenzial jedes unserer Geschäftsbereiche auszuschöpfen."

Seitdem wurde an der Umsetzung der Pläne gearbeitet und GE in drei Unternehmen aufgespalten:
  1. GE Healthcare mit Fokus auf Präzisionsmedizin,
  2. GE Vernova, das die Bereiche Renewable Energy and Power, Digital und Financial Services umfasst,
  3. GE Aerospace, das die Luft- und Raumfahrtaktivitäten von GE fortführen wird.
GE HealthCare wurde bereits am 4. Januar 2023 via Spin-off an die GE-Aktionäre verschenkt und GE hält noch 19,9 % der Anteile. GE Vernova soll Anfang 2024 auf demselben Wege folgen. Zurück bleibt GE Aerospace, wie General Electric anschließend heißen wird, und wird von Larry Culp als CEO geleitet werden.

Zurzeit und für die nächsten 12 Monate gibt es also zwei Unternehmen: General Electric, das noch aus GE Vernova und GE Aerospace besteht und die nun selbständige GE Healthcare.

GE Healthcare Technologies

Der Spin-off GE Healthcare hat das Börsenkürzel GEHC und ist ein führender Anbieter von Geräten, Instrumenten und Dienstleistungen für die Gesundheitsbranche. Das Unternehmen verfügt über einen starken Burggraben bei Geräten zur medizinischen Bildgebung und Ultraschall, wo es eine Art Oligopol mit Siemens Healthineers und Philips bildet.

GEHC adressiert mit seinen weltweit mehr als 4 Mio. installierten Geräten jährlich mehr als 1 Mrd. Patienten und gibt über 1 Mrd. USD jährlich für Forschung & Entwicklung aus. Knapp die Hälfte der gut 18 Mrd. USD Umsatz sind wiederkehrende Erlöse. Aufgrund seiner Marktführerschaft verbucht GEHC eine hohe Rentabilität und ordentliches organisches Wachstum, obwohl sich der Markt nach den negativen Corona-Einflüssen erst wieder zu erholen beginnt.

Für das 4. Quartal 2022 soll das organische Umsatzwachstum bei starken 12 % liegen und der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) über den im Dezember prognostizierten 2,6 Mrd. USD, während der freie Cashflow voraussichtlich am unteren Ende der avisierten Spanne von 2,1 bis 2,3 Mrd. USD durchs Ziel gehen wird. In diesen Zahlen sind die Kosten im Zusammenhang mit der Abspaltung von GE nicht enthalten.

Die EBIT-Marge liegt traditionell zwischen 10 und 13 % und das ist deutlich weniger als Wettbewerber Siemens Healthineers mit seinen 20,5 % in 2022 einspielen konnte. Hier zeigt sich das große Potenzial, dass GEHC nach dem Entlassen in die Selbständigkeit künftig heben kann.

Weniger attraktiv ist die hohe Verschuldung, die das Unternehmen von seiner Mutter mit auf den Weg bekommen hat, und zu Bewertungsabschlägen im Peergroup-Vergleich führt. Diese Schulden kann GEHC zwar aus seinem starken Cashflow bedienen, aber auf kurze und mittelfristige Sicht dürfte GEHC diesen Cashflow wohl verstärkt in die Schuldentilgung stecken als in höhere Dividenden oder Aktienrückkäufe. Der Fokus dürfte also erstmal auf einer Verbesserung der Margen und Schuldenreduzierung liegen und nicht auf Expansion durch Übernahmen.

Ergänzung vom 30.01.2023, 12:30

GEHC legt Q4-Zahlen vor und gibt Ausblick auf 2023 

Soeben hat GEHC Zahlen vorgelegt. Der Non-GAAP Gewinn je Aktie lag im 4. Quartal 2022 bei 1,31 USD und der Umsatz bei 4,93 Mrd. USD (+7,4 % gegenüber Vorjahr). Die Prognose für 2023 wurde bekräftigt: Organisches Umsatzwachstum im Bereich von 5 bis 7 % ggü. Vorjahr, bereinigte EBIT-Marge in einer Spanne von 15,0  bis 15,5 %, (Vorjahr: 14,5 %). Des Weiteren wir eine neue Prognose etabliert für das bereinigte Ergebnis je Aktie im Bereich von 3,60 bis 3,75 USD (Vorjahr: 3,38 USD).

GE Vernova

GE Vernova leidet unter der Abkehr von fossilen Brennstoffen, denn die Aussichten für klassische Kraftwerkstypen haben sich verschlechtert. Auf der anderen Seite erfährt die Kernenergie weltweit eine Renaissance und auch bei den Erneuerbaren Energien ist GE mit seinen Windkraftturbinen führend. Viel Geld ließ sich damit zuletzt nicht verdienen, aber GE Vernova wird für die Selbständigkeit fit gemacht und dürfte bei einer Normalisierung der Lage und einer Erholung der Wirtschaft profitieren. Der Energiebedarf der Welt wird sich nicht verringern und der Stromhunger auch dank des Umstiegs auf Elektroautos und „intelligente“ Belüftungs- und Beheizungssysteme für die Gebäude der Zukunft massiv ansteigen.

GE Aerospace

GE Aerospace ist weltweit führend bei Flugzeugtriebwerken und litt die letzten beiden Jahre massiv unter den Corona-Einschränkungen. Inzwischen rüsten die Fluggesellschaften aber wieder kräftig auf und setzen dabei natürlich auf energiesparsame Triebwerke. Unter Larry Culps Führung wurden auch hier große Fortschritte gemacht in Sachen Profitabilität und er hat sich auch vor großen Abschreibungen und damit einhergehenden Verlusten nicht gedrückt.

Mein Fazit

Auch nach dem Spin-off von GEHC steht die „Rest-GE“ relativ gut da und kann wesentlich beruhigter auf die Zukunft blicken, als dies in den letzten Jahren der Fall war.

Dennoch bleiben beide Unternehmenseinheiten zyklisch und hängen stark von der globalen Wirtschaftslage ab. Das war zuletzt belastend, wird aber bei einer Erholung, die in der zweiten Jahreshälfte 2023 erwartet wird, zum Erholungs- und Wachstumstreiber.

Alle drei GE-Unternehmen sind in ihren Branchen führende Unternehmen und unter den drei Top-Anbietern. Die Entwicklung bei GE sollten Anleger daher für 2023 im Blick behalten, während GEHC schon heute als aussichtsreicher Perspektivkandidat einzustufen ist, selbst wenn dort nicht mehr der Erfolgstyp Larry Culp die Zügel in der Hand hält.

Disclaimer: Habe GE, GE Healthcare auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

1 Kommentar:

  1. Ergänzung vom 30.01.2023, 12:30: Q4-Zahlen und Ausblick auf 2023
    Soeben hat GEHC Zahlen vorgelegt. Der Non-GAAP Gewinn je Aktie lag im 4. Quartal 2022 bei 1,31 USD und der Umsatz bei 4,93 Mrd. USD (+7,4 % gegenüber Vorjahr). Die Prognose für 2023 wurde bekräftigt: Organisches Umsatzwachstum im Bereich von 5 bis 7 % ggü. Vorjahr, bereinigte EBIT-Marge in einer Spanne von 15,0 bis 15,5 %, (Vorjahr: 14,5 %). Des Weiteren wir eine neue Prognose etabliert für das bereinigte Ergebnis je Aktie im Bereich von 3,60 bis 3,75 USD (Vorjahr: 3,38 USD).

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