Freitag, 1. Februar 2019

Amazon: Starke Zahlen, starker Ausblick. Oder etwa nicht?

Gestern war es wieder mal soweit: Amazon hat seine Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsquartal vorgelegt und dabei die Erwartungen der Analysten klar getoppt. Nicht nur beim Umsatz, sondern auch beim Gewinn konnte Amazon neue Rekordwerte markieren. Beim Ausblick gibt man sich verhalten(er), als die Analysten es gerne hätten - und die Aktie bricht deutlich ein.

Dabei hatte Amazon-Chef Jeff Bezos mal erklärt, dass Amazons Planungen immer schon zwei Quartale weiter seien und man daher dem abgelaufenen Quartal wenig Beachtung schenke. Und man sollte stets bedenken, dass Amazon nicht Daten von Unternehmen und Kunden sammelt und diese in Geld umwandelt, sondern dass Amazon wohl am meisten über Amazon weiß, über seine Stärken, seine Schwächen und seinen Geschäftsverlauf. Und auf dieser fundierten Datenbasis gibt das Unternehmen seine Prognosen ab (die es fast immer erfüllt und sogar übertrifft), während dann die Analystenschar die Taschenrechner zückt und meint, schlauer zu sein - ohne auch nur ansatzweise vergleichbare Daten und Einblicke zu haben wie Amazon. Trotzdem messen die Anleger den Prognosen der Analysten, die nur selten stimmen, mehr Gewicht bei als denen von Amazon selbst.
»Lache nie über die Dummheit der anderen. Sie ist deine Chance.«
(Winston Churchill)
Vermutlich werden die gleichen Anleger, die nun Amazon aus dem Depot kegeln, in wenigen Tagen die Aktien wieder (teurer) zurückkaufen, wenn sie ein bisschen nachgedacht haben und sich wieder erinnern, weshalb sie überhaupt Aktionäre bei Amazon sind/waren. Die vorgelegten Zahlen und auch die Zukunftserwartungen geben jedenfalls so einiges Interessantes her...


Amazon Zahlen zum vierten Quartal 2018

Amazon erzielte im Schlussquartal 2018 einen Umsatz von $72,4 Mrd. und damit ein Plus von 20%. Der Nettogewinn stieg sogar um 63% von $1,9 Mrd. auf $3,0 Mrd. und das Ergebnis je Aktie auf $6,04 Dollar. Damit lag es um 36 Cent über den Erwartungen, während der Umsatz diese nur leicht übertraf. Das Gewinnwachstum ist umso bemerkenswerter, weil im Schlussquartal des Vorjahres noch ein positiver Einmaleffekt aus der US-Steuerreform von knapp $800 Mio. das Ergebnis "aufhübschte". Ohne diesen hätte sich das Nettoergebnis auf Jahressicht in etwa verdreifacht!

Amazon (Quelle: wallstreet-online.de)
In den meisten Sparten konnte Amazon erneut glänzen, auch dank des sehr erfreulich gelaufenen Weihnachtsgeschäfts. Lediglich in der Sparte der physischen Läden (Whole Foods, Buchläden, Amazon Go) musste man einen Umsatzrückgang vermelden und zwar um 3% auf $4,4 Mrd. Hier gilt auch für die Zukunft, dass Amazon insgesamt nicht mehr an die früheren Wachstumsraten wird anknüpfen können, da das Ladengeschäft kaum zweistellig wachsen wird im Gegensatz zum Onlinehandel. Dafür gibt es diverse Cross-Selling-Potenziale und die Ladengeschäfte dienen künftig als Basis für den Lieferdienst ("Amazon Fresh"). Eine nicht zu unterschätzende strategische Komponente...

Das Handelsgeschäft legte weiter zu um 13,5% auf nun $123 Mrd. und bei den gebührenpflichtigen Diensten, zu denen auch das Versandangebot Prime gehört, konnte Amazon weiter zulegen. Hier stieg der Umsatz um 25% auf $4,0 Mrd. Allerdings lässt das Wachstum hier nach, was auch nicht verwundert, denn Amazon hatte kürzlich vermeldet, in den USA inzwischen mehr als 100 Mio. Prime-Kunden zu haben - bei einer Bevölkerungszahl von rund 350 Mio. Auch deshalb baut Amazon das Prime-Angebot weiter in die Breite aus, um mehr Dienste anbieten und ggf. höhere Mitgliedsgebühren verlangen zu können. Darüber hinaus dürfte aber die Quartalsbetrachtung hier weniger zielführend sein, da Amazon im Jahr 2018 die Art und Weise verändert hat, in der es die Prime-Umsätze verbucht. Daher werden einige Einnahmen, die in der Vergangenheit im vierten Quartal verbucht wurden, nun in die vorherigen drei Quartale verschoben - das Ergebnis glättet sich also über das Jahr gesehen. Und damit ist die Wachstumsrate von Q417 zu Q418 deutlich zu niedrig, während wir im nächsten Jahr auch von Q4/18 auf Q4/19 eine vergleichbare Datenbasis haben werden.

Die Cloud-Sparte AWS verbuchte einen Anstieg von 45% auf $7,4 Mrd. Aus ihr resultieren zur Zeit die größten Gewinnanteile des Amazon-Konzerns; ihr Betriebsgewinn sprang um 61% auf $2,2 Mrd und steuerte damit mehr als zwei Drittel zum Ergebnis bei. Im Gesamtjahr 2018 stieg der Umsatz von AWS auf mehr als $25 Mrd. und beträgt damit knapp 11% des Konzernumsatzes.

Das zukunftsträchtige Geschäftsfeld Advertising, das sich in den „anderen Aktivitäten“ verbirgt, konnte weiter deutlich zulegen. Der Umsatz der Sparte verdoppelte sich annähernd auf $3,39 Mrd. (+95%).

Und dann ist da noch der Cashflow, der bei Wachstumsunternehmen ja eine ganz zentrale Erfolgsgröße ist. Im Geschäftsjahr 2018 steig der operative Cashflow im Jahresvergleich um 67% auf $30,7 Mrd., während sich der Free Cashflow von $8,3 Mrd. auf $19,4 Mrd. mehr als verdoppelte.


Ausblick und Herausforderungen

Amazon will noch besser werden und hat stärkere Investitionen angekündigt als im letzten Jahr. Man will bis Ende 2021 bis zu 3.000 kassenlose Amazon Go-Läden eröffnen und auch beim Versand tut sich einiges. Nicht nur, dass Amazon eigene Fahrzeuge anschafft und sie für eigene Lieferanten zur Verfügung stellt, um seine Lieferungen zuverlässiger und noch schneller zu machen, Amazon beginnt nun auch, diesen Lieferservice großen Kunden anzubieten, die ihre Waren aus Amazon-Lagern versenden (lassen). Hiermit lastet man die eigenen Fahrer nicht nur besser aus, sondern kann auch die Preise der Wettbewerber UPS, FedEX, DHL oder USPS unterbieten. Darüber hinaus hat Amazon für seine Frachtflugzeugflotte gerade weitere Maschinen geordert und macht sich auch hier unabhängiger von den "normalen" Paketdiensten.

Investitionen kosten Geld und das geht zulasten des Gewinns. Andererseits schaffen diese Investitionen perspektivisch einen Mehrwert, daher sind sie sehr zu begrüßen.

»Für augenblicklichen Gewinn opfere ich die Zukunft nicht.«
(Werner von Siemens)

Eine erhebliche Herausforderung stellt aber die neue Gesetzeslage in Indien dar; nicht nur für Amazon, sondern für alle ausländischen Onlinehändler (so auch Alibaba oder Walmart). Ausländische Investoren dürfen nun über ihre Internetplattformen nur noch Produkte verkaufen, an denen sie nicht selbst beteiligt sind. Der Verkauf eigener Produkte bleibt indischen Online-Händlern vorbehalten. Und das stellt gerade für Amazon ein Problem dar, denn der Amazon Echo mit dem Sprachassistenten Alexa war im Weihnachtsgeschäft wieder das meistverkaufte Produkt. Und auch die Kindles und die Amazon Fires verkaufen sich hervorragend - sie sorgen dafür, dass immer mehr Menschen sich im Amazon-Ökosystem andocken und dort Dienste abrufen (und bezahlen). Indien ist ein großer Wachstumsmarkt und Amazon hat vor, hier in den nächsten Jahren $5,5 Mrd. zu investieren, weil man in Indien weiterhin große Wachstumsmöglichkeiten sieht. Insbesondere hier scheint der Markt einen skeptischeren Blick zu haben und es wird spannend sein zu sehen, wie Amazon diese Herausforderungen angehen wird.


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Meine Einschätzung

Amazon ist der große Disruptor und erobert immer mehr Bereiche unseres Wirtschaftslebens. Vorübergehende Einschränkungen, wie aktuell in Indien, werden hieran nichts ändern, sondern lediglich zu neuen Wegen führen. Der Onlinehandel wächst weiter stark und Amazon hat in den USA und in Deutschland hier Marktanteile von mehr als 50%. Die Cloud-Sparte AWS wächst weiter schnell und wird immer profitabler, auch wenn Rivale Microsoft hier noch stärker punktet. Die neuen Amazon Go-Läden eröffnen ganz neue Wachstumsmöglichkeiten, vor allem an Flughäfen, in Hotellobbys und sogar in Einkaufszentren. Darüber hinaus startete Amazon inzwischen den Onlineverkauf von rezeptfreien Medikamenten und wird dies mit Sicherheit auch auf rezeptpflichtige Medikamente ausweiten. Hinzu kommt, dass man im Bereich der Kosmetik- und Drogerieartikel immer stärker Fuß fasst und insgesamt zunehmend auf Eigenmarken setzt, die eine höhere Marge abwerfen.

Die Frage, ob Amazon ein wenig mehr oder etwas weniger Gewinn erzielt, weil man die Investitionen hoch fährt, stellt sich eigentlich nicht. Amazon ist das wertvollste Unternehmen der Welt - obwohl man 18 Jahre lang keinen Cent verdient hat! Erst seit anderthalb Jahren bleiben unterm Strich Gewinne übrig und diese steigen rasant an, weil Amazon in immer mehr Sparten profitabel wirtschaftet. Insbesondere die Cloud-Sparte AWS steuert hier den Löwenanteil der Gewinne bei und es wird bereits spekuliert, ob Amazon AWS nicht irgendwann abspaltet - Analysten bewerten AWS aktuell mit bis zu $350 Mrd. Besonders starkes Wachstum legt Amazon allerdings auch im Bereich Werbung (Advertising) hin und könnte hier bald signifikante Gewinnanteile einheimsen. On top gibt es dann noch die Finanzsparte, die still und leise im Hintergrund zu einer echten Ertragsperle heranreift.

▶ Mehr zum Thema: Amazon einfach gedacht: Weshalb die Aktie (fast) zu jedem Kurs ein Kauf sein könnte

Für mich bleibt Amazon mit seinem enormen ökonomischen Burggraben eines der aussichtsreichsten Langfristinvestments auf dem Kurszettel und daher ist die Aktie auch in meinem Depot am höchsten gewichtet. An schwachen Tagen stocke ich tendenziell eher auf, als dass ich mich von Anteilen trenne.

Disclaimer
Amazon befindet sich auf meiner Beobachtungsliste und in meinem Depot.

2 Kommentare:

  1. Danke für die Einordnung. Die Zahlen sind beeindruckend. Man muss aber wissen, dass viele Unternehmen regelmäßig die Analystenerwartungen übertreffen. Warum? Weil sie über das ganze Jahr damit beschäftigt sind, bei Analysten-Telefonkonferenzen etc. die Erwartungen runterzuschrauben, damit sie diese übertreffen und gut dastehen können.
    Kleine Frage: Was passiert mit meiner Amazon Aktie im Depot, falls Amazon AWS tatsächlich separat an die Börse bringt? Kriege ich dann ein paar AWS Aktien?

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    1. Die Frage zu AWS kann man heute noch nicht beantworten. Denn es sind ja bisher nur Gedankenspiele von Analysten, nicht vom Unternehmen selbst. Der Grundgedanke ist, dass AWS als eigenständige/s Unternehmen/Einheit agiler und mehr wert sein würde. Und man hätte ggf. bessere Chancen bei Kunden, die mit Amazon in Konkurrenz stehen.

      Wie dann ein Abspalten praktisch umgesetzt würde, müsste man dann sehen. Amazon könnte ja einfach einen Teil der (dann zuvor geschaffenen) AWS-Aktien an einer Börse listen. Oder per IPO einen Teil an der Börse platzieren. Oder eben als Spin-off einen Teil der AWS-Aktien den Amazon-Aktionären ins Depot buchen. Aber, wie gesagt, das ist Zukunftsmusik. Ich denke allerdings, dass alleine schon die Ankündigung einen Extraschub für die Amazon-Aktien bedeuten würde. Behalten wir es als zusätzlichen Treiber also im Hinterkopf...

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