Sonntag, 24. Oktober 2021

Kissigs Kloogschieterei: Kurze Gedankenspiele zum Rücktritt von Bundesbankchef Jens Weidmann, steigenden Inflationssorgen, Störungen der Lieferketten, Produktionsausfällen, Apples neuem Werbemonopol und einem weiteren Akt im Evergrande-Drama

Der Oktober zeigt sich von seiner schönen Seite, jedenfalls was die Börsenentwicklung anging. Weltweit haben die Indizes ihren Korrekturmodus verlassen und sich mit deutlichen Steigerungen zurückgemeldet. Dabei entwickelten sich die Technologiewerte am stärksten, obwohl einige der großen US-Werte unter Druck gerieten und das auch die US- und Weltindizes belastet hat.

Geld hatte hingegen eine schlechte Woche, denn die Steigerungen bei den Erzeugerpreisen heizt die Inflationsrate weiter an. Selbst die FED sieht hier inzwischen ein Problem und will mit der Reduzierung ihrer Anleihekäufe nun wohl noch schneller starten, während Zinsanhebungen weiter nicht anstehen. Diesen moderaten Kurs von FED-Chef Jerome Powell teilen nicht alle und manch einer sieht ihn als viel zu lasch an. Jack Dorsey, Gründer und CEO von Square und Twitter, twitterte jedenfalls, er sähe in den USA den Startschuss zur Hyperinflation gefallen.

Rücktritt von Bundesbankpräsident Jens Weidmann

Die Schuldenpolitik und der Kurs der Notenbank treiben auch Jens Weidmann um. Allerdings geht es ihm um die Deutsche Bundesbank und die EZB. Weidmann steht seit zehn Jahren an der Spitze der Bundesbank und ist einer der größten Kritiker der ultralockeren Geldpolitik und vor allem der insbesondere von den südlichen Eurostaaten und Frankreich angestrebten Schuldenunion. Er war sich der Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel stets sicher, während ihr Vizekanzler von der SPD, Olaf Scholz, ein Befürworter der Schuldenunion und gemeinsamer Eurobonds ist. Nun wird Olaf Scholz wohl der nächste Bundeskanzler und Jens Weidmann hat zum Jahresende seinen Rücktritt als Bundesbankpräsident erklärt. Konsequent und richtig. Leider wird nun wohl jemand von Scholz' Gnaden an die Spitze rücken, der (oder die) der geldpolitischen Stabilität des Euros ein Messer in den Rücken rammen wird. Denn die Schulden der Eurozone dürften künftig entsprechend des Länderanteils am Euro verteilt werden, während die Ausgaben übergewichtet in den südlichen Euroländern erfolgen. Mit anderen Worten: die soliden Eurostaaten des Nordens finanzieren in Zukunft die Schuldenrorgien der Südländer und haften dafür (mit).

Earnings Season legt gut los

Die US-Earnings Season nimmt Fahrt auf und dabei können viele Unternehmen die Erwartungen schlagen. Das hellt die Stimmung insgesamt auf. Allerdings gibt es auch Enttäuschungen, wie bei Snap. Das Social Media-Unternehmen hat deutlich unter den Erwartungen liegende Zahlen präsentiert und macht dabei die neuen Privatsphäre-Einstellungen von Apple verantwortlich, die im Advertising zu deutlichen Umsatzeinbrüchen geführt habe. Der Aktienkurs brach um 20% ein. In der Folge gaben auch Facebook und die Google-Mutter Alphabet deutlich nach und diese beiden Schwergewichte belasteten die Indizes insgesamt. Twitter litt ebenfalls.

Apple dominiert noch mehr

Die Aktien von Apple wiederum stiegen. Der Iphone-Konzern hat seine neuen Datenschutzeinstellungen als Schutz der Nutzer verkauft, doch an dieser Darstellung mehren sich Zweifel. Nutzer müssen seit dem iOS-Update ausdrücklich der Verwendung ihrer Daten zustimmen und das tun die wenigsten. Dadurch wird ihr Verhalten nicht mehr getrackt und die Effizienz der angezeigten Werbung sinkt. Mit entsprechend negativen Auswirkungen auf deren Preise. Allerdings behindert Apple seine eigenen Apps und Programme auf seinen Geräten nicht mit solchen Zustimmungserfordernissen, sondern versteckt bei diesen die Zustimmung irgendwo im Kleingedruckten. Mit der Folge, dass Apples eigene Werbeanzeigen an Relevanz deutlich zulegen und viel bessere Daten für die Programmentwickler bereitstellen können. Daher werden immer mehr Budgets auf Apple-Geräte verlagert.

Gut für Apple, schlecht für alle anderen. Könnte man meinen. Aber Apple steht zurzeit mächtig unter Druck seitens der Justiz und der Kartellbehörden und dabei wird ihm das Ausnutzen seiner Marktstellung vorgeworfen. Apple verneint eine solche marktbeherrschende Stellung und vor allem das Ausnutzen derselben, aber sein Vorgehen beim Advertising führt Apples Argumentation ad absurdum. Bisher werden nur die Nutzer als Kunden angesehen, aber auch die Programmentwickler, die ihre Produkte und Apps über Apples Appstore vertreiben, sind Kunden von Apple. Und genau diese schädigt Apple nun und zwar zum eigenen Vorteil. Das zeigt, dass Apples vollmundigen Sprüche, man wolle vor allem die Daten und Interessen der Apple-Nutzer schützen, nicht viel mehr als eine – bisher gelungene – Marketingmasche sind. In Wahrheit baut Apple damit nur seine Monopolstellung und sein Werbebusiness weiter aus. Und liefert seinen Kritikern, die auf regulatorische Eingriffe und vielleicht sogar eine Zerschlagung drängen, weitere Munition.

Evergrande strauchelt weiter, aber fällt (noch) nicht

In China stand der Immobilienkonzern erneut kurz vor dem Umfallen. Hoffnung auf Rettung hatte vor allem ein Mehrheitsverkauf des Hausverwaltungsgeschäfts erzeugt, doch der Verkauf an den Immobilienkonzern Hopson ist von Evergrande gestoppt worden und somit winken keine Milliardenzuflüsse. Die benötigt Evergrande aber, um seine anstehenden und teilweise überfälligen Zinszahlungen bedienen zu können. Eine bereits verstrichene Frist zur Zinszahlung stand am Samstag an und Evergrande hat das Geld irgendwie anderweitig auftreiben und die Zinsen von 83,5 Millionen Dollar begleichen können. Zudem kündigte der Konzern an, die Arbeiten an zehn Bauprojekten wieder aufzunehmen, unter anderem in Shenzhen und Dongguan. Das sorgte wiederum für Erleichterung, auch wenn eine Insolvenz von Evergrande damit nicht vom Tisch ist, sondern nur aufgeschoben.

Der "perfekte Sturm"?

Dem entsprechend gab es auch an Asiens Börsen entspannte Gesichter und Aktienkurse, auch wenn der Anstieg bei den Energie- und Rohstoffpreisen ungebremst weitergeht und auch die Staus bei der Containerschifffahrt weiter anhalten. Die Erwartungen auf ein Ende der Störungen der weltweiten Lieferketten werden immer weiter in die Ferne gerückt und nun ist schon von Anfang 2024 die Rede, nicht mehr von 2022. Derweil müssen immer mehr Unternehmen ihre Produktion stoppen, weil ihnen dringend benötigte Teile fehlen. Die Häfen erweisen sich hierbei als Nadelöhr, denn dort werden die Container nicht schnell genug abgefertigt und die Containerschiffe liegen vor den Häfen auf Halde – dies betrifft bereits mehr als zehn Prozent der weitweiten Frachtkapazitäten und in den Schiffsbäuchen stapeln sich die benötigten Produkte und Waren. Eine Erhöhung der Produktion bringt also kaum etwas, solange die Waren nicht von Produzenten bzw. Verkäufer zum Käufer gelangen. Insofern sollten volle und wachsende Auftragsbücher nicht einseitig positiv betrachtet werden, sondern stellen möglicherweise auch ein Warnzeichen dar.

Preissetzungsmacht ist Trumpf

Hieraus kann sich für die Wirtschaft und die Börsen eine echte Gefahr entwickeln: stark steigende Preise bei einer deutlichen Reduktion der Wirtschaftsleistung. Kein Szenario, das für steigende Börsenkurse spricht. Daher müssen Anleger die Entwicklung sehr genau im Auge behalten und sollten sich zunehmend auf Unternehmen fokussieren, die einerseits nicht so sehr von den Liefer- und Produktionsstörungen betroffen sind und darüber hinaus über eine Preissetzungsmacht verfügen, so dass sie bei den absehbar weiter steigenden Kosten nicht in einen ruinösen Preiswettbewerb mit ihren Konkurrenten geraten.

So sonnig sich der Oktober bisher auch zeigte, die jüngsten Herbststürme waren wohl nur ein erster Vorgeschmack auf das, was noch vor uns liegt…

Disclaimer: Habe Alphabet, Apple, Facebook, Square, Twitter auf meiner Beobachtungsliste und/oder in meinem Depot/Wiki.

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