Sonntag, 10. Oktober 2021

Kissigs Kloogschieterei: Kurze Gedankenspiele zur Krise der Konservativen in Europa, dem vertagten US-Schuldenobergrenzenstreit und Facebook im Fegefeuer

Der Oktober bleibt übellaunig und setzt die Aktienkurse unter Druck. Die Nervosität an den Märkten ist weiterhin hoch, auch wenn sie zuletzt etwas nachlässt, weil zentrale Konflikte der Vorwochen doch noch gut oder glimpflich ausgegangen sind. Dem entsprechend ging die Volatilität zurück, während der Angst-und-Gier-Index weiter im Angstterritorium verharrt.

Die Börsen in Deutschland gaben nach, vor allem der TecDAX büßte mehr als 4 Prozent ein. Noch schlimmer traf es den japanischen NIKKEI, während es in Hong Kong sogar Zugewinne gab. Und das gilt auch für die USA, wo die Börsen leicht zulegen konnten. Dabei passt die Nachrichtenlage zur Börsenentwicklung...

In China gab es keine neuen Regulationsankündigungen, dafür etwas Säbelrasseln gegenüber der "abspenstigen Provinz" Taiwan, die immerhin seit 1919 die selbständige Republik China ist. Das hindert die Machthaber in Peking aber nicht daran, die Einheit Chinas zu beschwören und einzufordern – natürlich unter Regime der Kommunistischen Partei. Die Taiwanesen sehen das zum Großteil anders und lehnen dankbar ab. Mit Unterstützung der USA als ihrem wichtigsten Verbündeten. Was zu zusätzlichen Spannungen im Südchinesischen Meer führt.

In Deutschland richten sich die Blicke auf die Kanzlersuche und die Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP. Währenddessen hat der CDU-Vorsitzende Armin Laschet wohl seinen Rücktritt angekündigt, so ganz klar hat er sich aber nicht positioniert. In Österreich geht das schneller und Kanzler Stephan Sebastian Kurz von der ÖVP tritt wegen Staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen sich zurück. In Zentraleuropa herrscht also so etwas wie eine Krise der Konservativen und das hat auch Bedeutung für die EU und den Euro. Denn bisher sind Deutschland und Österreich in der Eurozone strikte Gegner einer Schuldenunion und das könnte sich nun ändern unter neuen Führungen und neuem Druck.

Die gute oder vielmehr bessere Stimmung in den USA ist der Erleichterung zuzuschreiben, dass die führenden Politiker sich doch noch zusammenraufen konnten und den Shutdown der Bundesbehörden verhindert haben. Die Schuldenobergrenze wurde nicht zum Sargnagel der Budgetpolitik, sondern man hat sich mit seinen Streitereien auf Dezember vertagt. Immerhin. Keine Lösung, aber auch keine Katastrophe.

Starinvestor Ken Fisher weist immer wieder daraufhin, dass eine uneinige politische Führung gut für Aktienkurse ist. Bei breiten politischen Mehrheiten würden auch unpopuläre und richtungweisende Entscheidungen getroffen mit teilweise erheblichen Auswirkungen auf Bürger und Unternehmen. Bei Uneinigkeit hingegen wären die Kursänderungen zumeist moderat und alle beteiligten hätten die Möglichkeit, sich entsprechend anzupassen. Eine Ausnahme macht einzig die Klimapolitik, denn die globale Erwärmung und die daraus resultierenden katastrophalen Folgen für unsere Welt und damit auch für die Bürger und Unternehmen sind inzwischen Konsens und dem entsprechend ist die Entwicklung vorgezeichnet, trotz politischer Uneinigkeiten.

Und dann ist da noch Facebook. Das Zuckerberg-Imperium erlebt rabenschwarze Tage. Zunächst fielen die Dienste weltweit aus, was wohl auf einen Fehler bei der Konfiguration der Router, die den Datenverkehr zwischen den Datenzentren steuern, zurückzuführen ist. Konkreter geht es um das Border Gateway Protocol, das die Browseranfragen zu den richtigen IP-Adressen führt, so dass die dort hinterlegten Inhalte dann den Nutzern angezeigt werden. Und durch einen Fehler bei Facebook wurden versehentlich wohl die drei Dienste Facebook, WhatsApp und Instagram aus diesem "Telefonbuch" des Internets gelöscht und damit unauffindbar.

Das gravierende an diesem Fehler war, dass er nicht nur die Internetseiten der Dienste betraf, sondern auch die internen Strukturen, so dass die Facebook-Mitarbeiter nicht mehr telefonieren und keine Emails schreiben konnten und sich teilweise Büroräume nicht mehr öffnen ließen. Das behinderte und verhinderte eine schnellere Behebung der Störung, die Facebook auf einen Programmierfehler zurückführt und nicht auf einen Hackerangriff. Einige Tage später gab es dann noch einmal kurzfristige Ausfälle, da scheint man noch nicht alles wieder im Griff zu haben.

Das trifft auch auf eine andere Problemzone zu namens Frances Haugen. Die ehemalige Facebook-Angestellte und nun bekannte Whistleblowerin hat vor dem US-Kongress ausgesagt und ihren ehemaligen Arbeitgeber dabei in ein sehr unschönes Licht gerückt. Die 37-Jährige hat zwei Jahre für Facebook gearbeitet und zwar beim Kampf gegen Wahlmanipulationen – einem Thema, bei dem Facebook im Rampenlicht steht seit den Manipulationen um die US-Präsidentschaftswahl von 2016 und den Überraschungssieg von Donald Trump. Haugen sagt, ihr Team hätte viel zu geringe Ressourcen für einen effektiven Kampf gehabt und Facebook scheine das billigend in Kauf zu nehmen. Der Fokus des Unternehmens richte sich alleine darauf, was gut für das Unternehmen sei und nicht für die Gesellschaft. Profit gehe über alles. Insbesondere den schädlichen Einfluss von Instagram auf junge Nutzerinnen nahm stellte sie heraus, denn dieser verstärke die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und verursache damit Essstörungen und Depressionen. Und diese Erkenntnisse stammen aus einem internen Untersuchungsbericht von Facebook selbst, denen dann aber gegenüber der Gewinnmaschine wenig bis keine Bedeutung beigemessen wurde. Kein Wunder, dass der demokratische Senator Ed Markey Facebook mit Zigarettenkonzernen verglich und meinte, "Instagram sei diese erste Zigarette der Kindheit".

Das hat gesessen. Facebook steht ohnehin unter großem Druck seitens der Regierung und von Regulierungsbehörden, wobei es federführend um seine Marktstellung im Bereich der Meinungsbildung geht und wo es immer lautere Forderungen nach einer Aufspaltung des Konzerns gibt. Die Vorwürfe der Suchtförderung bei Jugendlichen sind dabei ebenso Wasser auf die Mühlen wie die Ausfälle der Dienste, denn diese zeigten die weltweite Dominanz des Facebook-Konzerns mit seinen annähernd 3,5 Milliarden Nutzern.

Mark Zuckerbergs Imperium wankt gefährlich. Und der Gründer und CEO geht auf Konfrontationskurs und bestreitet die Vorwürfe. Auch das erinnert an die Tabakkonzerne. Die am Ende mehr als 100 Milliarden Dollar an Strafzahlungen aufbringen mussten und weiterhin unter dem Damoklesschwert eines Verbots stehen. Zuckerbergs Kurs sollte daher nicht nur ihm, sondern auch seinen Aktionären schwer zu denken geben.

Sollte Facebook aufgespalten werden, würden sich weltweit Konzerne um Instagram und/oder WhatsApp reißen. Doch diese einmaligen hohen Einnahmen würden Facebook ins Mark treffen, denn sie würden die Gewinnmaschine schwer beschädigen und seinen Einfluss. Dabei blickt Zuckerberg lieber nach vorne in seine Zukunftsvision Metaverse. Gut möglich, dass diese Vision nun eher von anderen gestaltet und dominiert wird, während Facebook durch Zuckerberg und seine kühle Ignoranz der Realität um seine Zukunft gebracht wird.

Der regulatorische Crackdown findet nicht nur in China statt, sondern er nimmt auch in den USA und Europa Fahrt auf. Dabei geht es um die Macht der Konzerne, ihren Umgang mit Nutzerdaten, die Manipulation von Meinungen und die Unterdrückung von Wettbewerbern. Sie können damit zu einer Bedrohung für unsere Freiheit werden, für die Demokratie und die Macht der Politiker. Aus dem zunehmenden regulatorischen Gegenwind könnte ein Orkan werden und wer sich diesem stur entgegenstellt, wird am Ende gebrochen, während diejenigen, die sich anpassen den Orkan weitgehend unbeschadet überstehen. Microsoft hat dies vor 25 Jahren vorgemacht und ist heute der zweitwertvollste Konzern der Welt – und steht nicht im Zentrum der heutigen Regulierungsangriffe, die vor allem gegen Alphabet (Google), Amazon, Apple und Facebook gerichtet sind. Facebook-Chef Zuckerberg geht genau den anderen Weg. Möglicherweise ein fataler Irrtum mit weitreichenden Folgen. Für die Gesellschaft, das Unternehmen und die Aktionäre.

Zuckerberg macht Facebook zu Americas Most Hated. Think about it...

4 Kommentare:

  1. Sebastian heißt der Ex-Kanzler und nicht Stephan😉.
    In Österreich wird sich zunächst nichts ändern mit Blick auf den Standpunkt zur Schulden Union.

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  2. Ich fände eine Aufspaltung von FB schade. Den Inhalt auf FB und IG machen die Nutzer und mir muss nicht alles gefallen, die Welt ist wie sie ist und man kann auf Social Media nicht nur rosarote Ponys zeigen
    Gruß
    justJoe

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    1. Aufspaltung hieße ja nicht Abschaltung, sondern mehr Konkurrenz. Dadurch müsste Facebook vom hohen Ross der absoluten Dominanz herunterkommen und mit den Konkurrenten um das beste Angebot ringen. Was dann elegant zu mehr Kundenfreundlichkeit führen dürfte, vor allem im Hinblick auf den Datenschutz.
      Alle Probleme würde das aber nicht lösen - z.B. nicht, wie die User diese Plattformen nutzen. Denn das hat weniger mit den Plattformen zu tun als mit den Usern. Selbstdarstellung und eskalierender Hass wären dann unverändert Eigenschaften dieser Plattformen, egal wem sie gehören. Das kann man nur durch Gesetze bekämpfen.

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  3. Facebook ist Dreck, ja. Aber nicht wegen dem Streben nach und der Priorisierung von Gewinnen, das tut wohl so ziemlich jedes Unternehmen. Und auch nicht wegen der anorexischen Mädels, die gab es auch schon vor Facebook und "insta".
    Sondern wegen der undemokratischen Zensur und der politischen Einflussnahme, je nach Land immer schhön im Sinner der Herrschenden.
    Braucht kein freiheitlich denkender Demokrat, kann weg.
    Selbiges gilt für Alphabet und Twitter.
    Wer die einkauft, macht sich zum Teil dieser Unternehmung und trägt damit auch Mitverantwortung.
    So, genug moralisiert. Will aktuell eh keiner was von hören :>

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